Äußere und innere Sicherheit in Gefahr
Das Thema Sicherheitspolitik wird gerade auch in Konkurrenz zu anderen Politikfeldern erheblich an Bedeutung gewinnen. Deutschland und Frankreich sind dabei stärker denn je aufeinander angewiesen. Die Trennung von äußerer und innerer Sicherheit ist zudem nicht mehr zeitgemäß. Großbritannien unterscheidet Risiken längst nach ihrem negativen Einfluss auf die Gesellschaft und das politische System. Für das föderal aufgebaute Deutschland eine Herkulesaufgabe. Die sicherheitspolitische Zusammenarbeit der Länder ist, gelinde gesagt, verbesserungsfähig.
Die Statik, auf der Deutschlands äußere und innere Sicherheit beruht, ist nicht mehr voll tragfähig. „Deutschland ist in der Sicherheitspolitik von regelbasierten Ordnungsstrukturen abhängig, die unter wachsenden Druck geraten", schreibt die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in einem Strategiepapier. Diese Ordnungsstrukturen sind
- Einbindung in westlich geprägte, regelbasierte globale Organisationen wie die UN, der IWF, die WTO;
- europäische Integration in Form der EU;
- enge Zusammenarbeit mit den USA (NATO).
Trump stellt Sicherheitsordnung infrage
Der amtierende US-Präsident Donald Trump sägt gleich an mehreren Säulen. Die USA gelten in Europa als „maßgeblicher Unsicherheitsfaktor", so die DGAP. Trump untergrabe, „den westlich-liberalen Wertekonsens". Unter seiner Führung stünden die USA nicht mehr für einen Staat, „der die liberale Weltordnung im eigenen Interesse weiterentwickeln will".
Europa wiederum erscheint als politischer Zwerg. Sein Einfluss in den meisten Weltregionen ist eher gering. Zumal Europa alleine keine Hard Power, keine eigene Militärmacht auf die Beine stellen kann. Hier werden Frankreich und Deutschland initiativ werden, erwarten Sicherheitsexperten.
Sicherheitspolitische Großbaustellen
Folgende sicherheitspolitische Großbaustellen tun sich auf/bleiben bestehen:
Russland. Präsident Wladimir Putin, der demnächst seine 4. Amtszeit antritt, möchte Russland am liebsten zu alter sowjetischer Größe zurückführen (Ukraine, Syrien). Im Innern zunehmend autoritär, nach außen zunehmend aggressiv, so lautet die Perspektive, auf die sich Deutschland mit Europa einstellen muss. Zumal Moskau auch gezielt dazu übergegangen ist, westliche Demokratien mit Desinformationskampagnen und Cyberangriffen zu destabilisieren. Die USA sind bis auf Weiteres kein verlässlicher Partner, Moskau einzuhegen, meint die DGAP.
China in Konflikt mit USA
Asien/China. China dehnt seine Ansprüche auf umliegende Territorien, Gewässer und die darunterliegenden Ressourcen beständig weiter aus. Die USA sehen sich in ihrer Bewegungsfreiheit im Raum Asien-Pazifik zunehmend eingeschränkt. Hier besteht die Gefahr einer möglicherweise unbeabsichtigten Kollision, die in eine militärische Auseinandersetzung münden kann.
China will Nordkorea als funktionsfähigen Staat erhalten. Trotz dessen Nuklear- und Raketenprogramms, denn „es fürchtet Flüchtlingsströme sowie ein vereintes proamerikanisches Korea" (DGAP). Die USA setzen wiederum auf Aufrüstung ihrer Verbündeten in der Region – Südkorea, Japan, Australien –, um China einzudämmen. Das Konfliktpotenzial wächst entsprechend, während das Vertrauen nicht zuletzt wegen des Ausstiegs der USA aus dem transpazifischen Handelsabkommen TPP sinkt. So will Südkorea bereits zugunsten Chinas aus der gemeinsamen Raketenabwehr aussteigen.
Die Türkei driftet weiter ab
Türkei. Die proeuropäische Orientierung der Türkei geht unter Präsident Recep Tayyip Erdogan zunehmend verloren. 2018 könnte Ankara die Todesstrafe wieder einführen – das würde die gegenseitigen Beziehungen weiter massiv belasten und die Beitrittsperspektive der Türkei zur EU endgültig zunichtemachen. Einerseits ist die Türkei ein wichtiger Partner bei der Eindämmung der Migration und der Terrorismusbekämpfung. Andererseits versucht Ankara auf die hier lebenden Deutschtürken Einfluss zu nehmen und untergräbt die Integrationsbemühungen von Regierung und Gesellschaft.
Verletzlich ist die Türkei wirtschaftlich. Hier haben Deutschland und die EU einen Hebel in der Hand. Oft fehlt es der EU aber – wie auch im Innern – an der nötigen Konsequenz, selbst gesetzte Rahmenbedingungen durchzusetzen. Das verführt Regierungen dazu, zu pokern.
Schwelender Krisenherd Balkan
Der Balkan. Dort verläuft eine der wichtigsten Migrationsrouten. Instabilität in diesem Raum betrifft Deutschland also direkt. Das Konfliktpotenzial auf dem Balkan ist weiter sehr hoch – zwischen Serbien und dem Kosovo, in Bosnien-Herzegowina, in Mazedonien. Hinzu kommen die Versuche Russlands, in der Region wieder an Einfluss zu gewinnen. Erfolge Moskaus zeigen sich proportional zu wirtschaftlichen und integrativen Misserfolgen der EU (Großbritannien, Polen, Ungarn).
Konzeptlose Migrationspolitik
Afrika/Nahost. Migration ist für die Staaten Afrikas zur Waffe geworden. Sie trägt zur Destabilisierung Europas und der westlichen Werteordnung bei und birgt immenses Erpressungspotenzial. Warnungen dazu gibt es seit den 1990er Jahren. Zumindest von der Bundesregierung wurden sie nicht ausreichend ernst genommen.
So konstatiert die DGAP: „Bis heute bestehen erhebliche Probleme für Berlin, Krisen früh zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren." Bilaterale Beziehungen zwischen einzelnen Staaten haben insbesondere in die Region Nahost viel größere Bedeutung als eine wie auch immer geartete gemeinsame EU-Außenpolitik.
Europa ohne Konzept
Die Antworten, die Europa auf die destabilisierende Wirkung der Migrationsströme gefunden hat, sind bisher nicht befriedigend. Weder mit Investitionen vor Ort, noch der Zahlung von Erpressungsgeldern, noch politischem Druck ist das Risiko ausreichend eingedämmt. Die eher kläglich anmutenden Erfolge zur Rückführung von terroristischen Gefährdern, Kriminellen und identitätslosen Flüchtlingen ohne Pass bzw. abgelehnten Asylbewerbern sprechen Bände.
Die Belastbarkeit der Sozialsysteme und die Integrationsbereitschaft der Bevölkerungen in den Staaten der EU auszutesten, wie es derzeit der Fall ist, weist auf mittlere Sicht in die politische Sackgasse. Es ist der sicherste Weg, die politischen Ränder zu stärken.
Fazit: Die Ausgaben des Staates für die äußere und innere Sicherheit werden in den kommenden Jahren deutlich ansteigen (müssen) – schon, um die NATO als verbleibenden sicherheitspolitischen Stabilitäts-anker zu erhalten.