Alte Feinde – neue Freunde
Überall auf der Welt werden neue Koalitionen geschmiedet. Alte Feinde werden zu Verbündeten auf der Suche nach Wohlstand.
Die einstigen Gegner im Vietnam-Krieg werden Freunde. Das zeigt der Besuch des vietnamesischen Parteichefs Nguyen Phu Trong in Washington deutlicher als jedes offizielle Dokument. Hier zeichnet sich eine neue Allianz ab. Den aktuellen Anstoß zur offenen Kooperation liefert der gemeinsame Widerstand gegen die aggressive chinesische Expansionspolitik im Südchinesischen Meer („Inselstreit“). Neben dem gemeinsamen Gegner gibt es aber auch wirtschaftliche Gründe für eine politische Verständigung. Die USA sind mittlerweile wieder der bedeutendste Exportmarkt Vietnams, obwohl kein besonderes Handelsabkommen besteht. Das soll sich ändern. Vietnam gehört zu den wichtigsten Befürwortern der amerikanischen TPP-Initiative, der transpazifischen Freihandelszone. Mit dem Abschluss dieses Vertrags würden sich die Chancen Vietnams weiter verbessern. Dies hebt etwa ein Papier der auf Asien fokussierten UK-Großbank HSBC hervor. Der Handel wird demnach zum wichtigster Treiber des vietnamesischen Wachstums werden. Zugleich wird er der Produktivitätsentwicklung neuen Schub geben. Die Produktivität Vietnams zählt zwar zu den schwächsten in der Region, aber auch zu den am schnellsten wachsenden. Grundlage dafür sind starke Zuflüsse aus dem Ausland durch Direktinvestitionen. Sie stammen häufig aus den weiter fortgeschrittenen Nachbarländern wie etwa aus Taiwan. Vietnam spielt derzeit noch die Rolle der verlängerten Werkbank für die Industrie des Auslands. Das birgt auch Risiken. Der Abfluss ausländischer Kapitaleinkommen ist dem IWF zufolge mit 6,1 Mrd. Dollar etwa ebenso groß wie der Handelsüberschuss mit 6,2 Mrd. Dollar. Hier droht eine „middle-income-Falle“. Die Chancen liegen bei einer konsequenten Liberalisierung und Privatisierung des großen Sektors der Staatsunternehmen. Sie arbeiten weithin ineffektiv. Daneben geht es um den Ausbau der Infrastruktur. Das würde den kleineren einheimischen Unternehmen den Wettbewerb erleichtern. Mit einem ersten Reformschritt hat die Führung in Hanoi die bislang generelle Beteiligungsgrenze für Ausländer (maximal 49%) für viele Branchen abgeschafft. Nur bei den Banken bleibt sie vorerst bestehen. Dank kräftiger privater Transfers (vor allem von Vietnamesen im Ausland) weist die Leistungsbilanz trotzdem kräftige Überschüsse aus. Die Regierung kann folglich die Reformen aus einer stabilen finanziellen Position mit beachtlichen Reserven angehen.
Fazit: Vietnam positioniert sich als Standortalternative vor allem zu China. Das Land bietet aufgrund der Wachstumsperspektiven einen interessanten Markt. Dieser nähert sich zudem aus politischer Opportunität heraus westlichen Standards an.