Gefährliche Eigendynamik
Staatliche russische Medien erzeugen eine aggressive Haltung in der Bevölkerung gegenüber der westlichen Welt. Diese kann sich zu einer gefährlichen Eigendynamik entwickeln.
In Russland gewinnt eine chauvinistische und wertkonservative Haltung hohe Eigendynamik. Fuchsbriefe haben sich in Moskau umgesehen und ein hohes Maß an verbaler Aggression und nationalistischen Positionen gehört. Die nationalen Medien heizen das Klima ordentlich auf. Unter dem Druck des Auslands wächst das „Wir-Gefühl“. Wer sich in Diskussionen „liberal“ äußert, wird ausgebuht, ganze Familien sind aus diesem Grunde gespalten. Der Resonanzboden für entsprechende Parolen ist die ältere Generation, die die Sowjetzeit als Erwachsene miterlebt hat. Sie hat die Werte einer offenen Gesellschaft zum Teil mit großer Skepsis betrachtet und geduldet. Nun ist es in Moskau wieder salonfähig, diese Werte zu torpedieren und als Teufelswerk zu bezeichnen. Jede Art der Abweichung vom Mainstream wird offen angegriffen. Das betrifft alle Arten des Anders-seins und Anders-denkens, sei es politisch, religiös, sexuell, bezogen auf Subkulturen oder bezogen auf die Vielfalt der Lebensentwürfe. Alexander Dugin – einer der führenden gegenwärtigen Ideologen in Russland – sprach in einer Fernsehsendung offen über die Notwendigkeit, „die Liberalen zu vernichten“. Die Idee der Vereinigung Eurasiens unter Russlands Führung und als Träger konservativer christlich-orthodoxer Werte ist omnipräsent. Eurasien sei eine eigenständige Zivilisation. Ihre Werte seien nicht mit den liberalen Werten im Westen vereinbar und würden es niemals(!) sein. Zu diesem „Kulturraum“ gehören selbstverständlich auch die „Brudervölker“ Weißrussen und Ukrainer. Auch die zu Zaren- und Sowjetzeiten russifizierten Gebiete Kaukasus und Zentralasien können sich des russischen Paternalismus erfreuen.
Fazit: Sollte Russlands Führung ihre Konfrontationshaltung gegenüber dem Westen wieder aufgeben wollen, wird sie Schwierigkeiten haben, die Bevölkerung wieder auf ihre Seite zu bringen.