Gott regiert mit
Christliche Sekten haben einen großen Einfluss auf die politischen Eliten in vielen Schwellenländern. Und fordern die traditionellen Eliten heraus.
Der politische Einfluss evangelikaler Sekten wächst in den Schwellenländern beständig. So sind Chinas aktuelle Repressalien gegen christliche Kirchen eine Reaktion auf die zentrale Rolle von Christen beim Hongkonger Studentenaufstand, den das Regime Ende 2014 gewaltsam beendete. Ein Gründer von „Occupy Central“ ist der Baptistenpastor Chu Yiu-ming. Der zum Medienstar avancierte Studentenführer Joshua Wong ist ein Neoprotestant. Charismatische Megagottesdienste, wie sie in Afrika und Lateinamerika gang und gäbe sind, unterdrückt Peking im Keim. Dennoch soll es mittlerweile über 150 Mio. Christen in China geben. 600 Millionen Menschen bekennen sich heute zum Neoprotestantismus. Es sind vor allem Pfingstler, Charismatiker und Evangelikale. In Brasilien schrumpfte der Anteil der Katholiken bereits auf 64,6%. 1950 lag er noch bei 95%. Bei den Präsidentschaftswahlen 2014 kandidierte mit Marina Silva erstmals eine Pfingstlerin aus der Assembleia de Deus. Die ehemalige Kautschukzapferin aus bettelarmer Familie wurde der linken Amtsinhaberin Dilma Rousseff zeitweise sehr gefährlich. Der Erfolg der Evangelikalen beruht auf Arbeitsethos und Wohlstandsevangelium. Besonders Arme und entwurzelte Wanderarbeiter fühlen sich von der konservativen Botschaft angezogen: kein Alkohol, keine Drogen, harte Arbeit. Als Lohn winkt die Verheißung: Gott will, dass du reich wirst. Jesus will dein persönliches Glück – und vor allem Reichtum. Predigen ist in Afrika zum Big Business geworden. So hat David Oyedepo, der Gründer der Winners Chapel in Nigeria, Missionen in 34 Ländern und Hunderttausende Anhänger. In seinen Gottesdiensten, eine Show mit Wunderheilungen, werden die Gläubigen zum Spenden als Zeichen des tiefen Glaubens aufgefordert. Megaprediger wie er häufen riesige Vermögen an und sind in der Lokalpolitik wichtige Größen. Die lokalen Sektengründer gelten in ihren Ländern häufig als von den USA ferngesteuert. Die meisten haben ihr Handwerk tatsächlich bei amerikanischen Star-Evangelikalen gelernt. Außerdem investieren die finanzstarken amerikanischen Pfingstler jährlich Milliardenbeträge in die globale Mission. Ihre politische Wirkung besteht vor allem darin, lokale Traditionen aufzubrechen und die missionierten Länder der Globalisierung zu öffnen. In der Ukraine sprachen sich Evangelikale bereits 2012 gegen Russisch als zweite Amtssprache aus. Russisch ist aber die einzige Sprache, die von allen Ukrainern verstanden wird. Im Maidan 2014 warb der erfolgreiche Prediger Sunday Adelaya für einen ukrainischen Nationalismus. Der frühere Kiewer Bürgermeister Leonid Chernovetskyi gehört seiner Kirche an, ebenso ein Drittel des Stadtparlaments. Für die orthodoxe Kirche ist Adelaya, ein Immigrant aus Nigeria, ein rotes Tuch.
Fazit: Der global wachsende Einfluss der Evangelikalen kann nicht mehr übersehen werden. Sie fordern vor allem die traditionellen Eliten heraus. Westlichen Regierungen und Organisationen dienen sie oftmals als politischer Partner.