Obamas Endgame
Die demokratische Partei wird bei den Zwischenwahlen in den USA die Mehrheit im Senat verlieren.
Eine aktuelle Umfrage von NBC/Annenberg sieht die Republikaner bei den US-Zwischenwahlen am 4. November klar im Vorteil. Die dafür nötigen sechs Senatssitze können sie gewinnen. Die ohnehin schon republikanische (rote) Mehrheit im Abgeordnetenhaus werden sie weiter ausbauen. Präsident Obama ist zur Belastung geworden. Seine Beliebtheit ist auf einem Tiefpunkt. Die demokratischen Kandidaten in den Bundesstaaten distanzieren sich von ihm. Nach sechs Jahren Präsidentschaft ist vor allem die demokratische Stammwählerschaft von ihm enttäuscht. Obama vermied von Anfang an jeden Eindruck, Minderheiten zu begünstigen. Seine im Februar gestartete „My Brothers‘ Keeper“ Initiative kommt zu spät. Dass ein Schwarzer das höchste Amt im Staat einnehmen kann, wird nun von der Nation als Reinwaschung aller alten Sünden bewertet. An der Lage der Schwarzen selbst änderte es nichts. Im Gegenteil: Weiße Amerikaner haben eine Armutsrate von 9,7% (2012), Schwarze immer noch die höchste mit 27,2%. Die Arbeitslosigkeit weißer Jugendlicher liegt bei 18,9%, die der schwarzen bei 33,4%. Es gibt auch keinen Fortschritt: Das Median-Vermögen für weiße Haushalte lag 2011 bei 89.500 USD, das für schwarze Haushalte bei mageren 6.300 USD. Das ist ein Unterschied von Faktor 14; im Jahr 1995 hatte der Faktor noch bei sieben gelegen. Verschlechterung auch bei den Einkommen: Zum Zeitpunkt der Verkündigung des Civil Rights Act von 1964 betrug das Median-Einkommen der schwarzen Haushalte 57,6% der weißen. 2012, unter Obama, liegt es bei 62%, nachdem die Einkommenslücke 2000 auf einen Anteil von 67,6% zurückgegangen war. Mit Obama waren die liberalen Werte von Gender-Mainstreaming und Multikulti ganz oben, im Weißen Haus, angekommen. Mit ihm verband die „Regenbogenkoalition“ Hoffnungen auf die Eindämmung der Finanzkonzerne und des Abbaus von Ungleichheit. Doch die Wallstreet blüht und gedeiht wie eh und je und die Kluft zwischen Arm und Reich wächst. Und auch am Alltagsrassismus änderte sich nichts: Im Sommer prügelte in Ferguson eine militärisch hochgerüstete Polizei auf Schwarze ein, die gegen Behördenwillkür protestierten. Nicht einmal die Gesundheitsreform wird Barack Obama von seinen Wählern gutgeschrieben. Obwohl nun 50 Millionen Amerikaner erstmals einen Versicherungsschutz erhalten sollen, zeigen ausgerechnet die sozial Schwächsten kein Interesse an dieser Form des Fortschritts. Die zwei Jahre bis zur nächsten Präsidentenwahl werden zu einer Hängepartie, wenn die Republikaner die Wahlen gewinnen. Da ein Gesetz in den USA nur in Kraft tritt, wenn es von Repräsentantenhaus und Senat verabschiedet wird, muss Obama künftig gegen den Kongress anregieren. Dort sitzen Republikaner, die mit wachsender Stärke immer weiter nach rechts rücken und jeden Kompromiss als Hochverrat ablehnen. Die US-Politik droht in dieser Patt-Situation viel Handlungsspielraum zu verlieren.
Fazit: Der bevorstehende Sieg der Republikaner erhöht das Risiko der Selbstblockade der US-Politik und wird das Vertrauen in sie schwächen.