Riskantes Spiel
Weiteres russisches Erdgas für die Türkei könnte die NATO auf den Plan rufen. Man braucht keine Waffen, das Verringern der Kapitalzufuhr reicht aus.
Der Gas-Deal zwischen Russland und der Türkei verärgert die NATO. Das westliche Militärbündnis sieht die Annäherung zwischen ihrem Mitglied und Russland gerade bei der strategisch wichtigen Energiefrage kritisch. Zumal sich Premier Erdogan auch bei anderen Fragen (ISIS, Israel) als zunehmend störrisch erweist. Zwar bezieht die Türkei seit 2005 russisches Erdgas. Doch die Umleitung von South Stream in die Türkei statt via Bulgarien nach Europa hat eine politische Dimension. Im aktuellen Ukraine-Konflikt fällt Erdogan mit dem Gas-Deal der Russland-Strategie des Bündnisses in den Rücken. Neben der diplomatischen „Seelenmassage“ im Hintergrund kann der Westen handfeste finanzielle Waffen einsetzen. Die Türkei finanziert ihr chronisches Leistungsbilanzdefizit (über 6% p. a.) durch Kapitalimporte. Die ehrgeizigen Investitionsprojekte stellen deshalb stets erhebliche Finanzierungsherausforderungen dar. Bisher war hier die Europäische Investitionsbank (EIB) ein wichtiger Partner. Nach Erdogans Nasenstüber könnte das künftig anders sein. Nicht zuletzt ist das türkische Militär seit geraumer Zeit beunruhigt über den Kurs des Präsidenten. Zum einen sind die Militärs über die distanzierende Haltung zur NATO irritiert. Zudem droht Erdogans hartherzige Behandlung der kurdischen Grenzstadt Kobane bei der ISIS-Belagerung ein erneutes Aufflammen der kurdischen Unruhen im Land zu provozieren. In vergleichbaren Situationen hat das Militär in der Vergangenheit geputscht. Soweit muss es zwar nicht kommen. Aber ohne tatkräftige Unterstützung seines Militärs kann Erdogan die von ihm angestrebte Führungsrolle im Nahen Osten vergessen.
Fazit: Erdogan riskiert mit seinem Großmachtgehabe, finanziellen Handlungsspielraum zu verlieren. Zudem vergrätzt er die Nato-treuen Militärs.