Russland sucht immer dringender einen Kanal, um mit dem Westen wieder ins Gespräch zu kommen. Der Vorschlag Präsident Wladimir Putins, die G8 (G7 plus Russland) wiederzubeleben, ist ein weiterer Versuch in einer immer länger werdenden Kette.
Moskau steht das Wasser nicht nur wirtschaftlich bis zum Hals. Die jüngsten militärischen und außenpolitischen Erfolge in der Ukraine und Syrien erweisen sich bei näherem Hinsehen als Pyrrhussiege. Sie täuschen über die eklatanten Schwächen des Landes hinweg. Ein Diplomat hat Russland jüngst mit dem Scheinriesen Turtur aus Michael Endes Märchen „Jim Knopf“ verglichen: Nur aus der Ferne wirkt er gewaltig. Doch je näher man ihm kommt, desto mehr schrumpft er zusammen.
Die Wirtschaftskraft Russlands ist nach dem Ölpreisverfall so groß wie die Spaniens. Beide Länder bringen derzeit ein BIP von rund 1,2 Bio. Dollar auf die Waage. Die Anzahl der russischen Patente entspricht derjenigen Norwegens. Russland hat 144 Mio. Einwohner, Norwegen 5 Mio. Für die Finanzierung langwieriger, kostspieliger Kriege wie in Syrien fehlt eigentlich das Geld. Europa als wirtschaftlichen Partner durch China auszutauschen, funktioniert nicht.
Russland isoliert sich selbst. Die Ukraine hat sich Russland vom einstigen Partner zum erbitterten Feind gemacht. Selbst die Menschen im Osten des Landes sind mehr und mehr desillusioniert. Mit Baschar al-Assad legt sich Moskau zu einem Partner ins Bett, der in der gesamten Region längst abgeschrieben ist.
Die Amerikaner haben Putin Ende letzten Jahres abblitzen lassen. Zur Münchner Sicherheitskonferenz fehlte ihm die hochrangige Einladung. Dafür kam Ministerpräsident Dmitri Medwedew und hielt, so Insider, eine eng mit dem Präsidenten abgestimmte Rede. Sie war inhaltlich auf Dialogbereitschaft ausgerichtet, hatte aber einen entscheidenden Makel: Die Aussage über den neuen Kalten Krieg. Sie war das einzige, was öffentlich hängen blieb. „Ein kommunikatives Desaster der Russen“, nennen es westliche Diplomaten.
Fazit: Russland (re)agiert derzeit wie ein waidwundes Tier, angriffslustig und schwer berechenbar. Europa kann sich einen solchen Nachbarn nicht leisten. Die EU wird das Gespräch wieder suchen (müssen). Und sie muss mehr Selbstbewusstsein entwickeln, sich den amerikanischen Überlegungen, etwa für eine dauerhafte Stationierung von NATO-Kampfverbänden in den neuen Ost-Staaten, entgegenzustellen.