Schicksalsjahre
In den kommenden Jahren stehen im "Westen" geradezu schicksalhafte Urnengänge an.
Die Kabinettsumbildung in Paris war der Auftakt zu drei politisch geradezu schicksalhaften Jahren für die G-7-Staaten. Europa könnte danach völlig anders aussehen als heute. Für Unternehmen und Märkte könnten massive Umbrüche die Folge sein. Mitte September steht das Referendum in Schottland über die Zugehörigkeit zu Großbritannien an. Nicht nur die Briten, auch die meisten Europapolitiker fürchten ein Ja der Schotten zur Selbständigkeit. Denn dies könnte den vielfach nur mühsam unterdrückten Separationstendenzen anderswo – etwa in Norditalien, Katalonien, dem Baskenland, in Belgien – neue Nahrung geben. 2015 wählt England den Premierminister. Gewinnt erneut David Cameron für die Tories, ist das Referendum über den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU unvermeidlich. Es soll im Frühjahr 2017 stattfinden. 2016 stehen in den zwei wichtigsten Industrie- und Partnerländern der Europäer Wahlen zur Staatsspitze an: in den USA und Japan. In den USA geht die Ära Barack Obama zu Ende. Wie auch immer sein Wirken bewertet werden wird: Er hat die Distanz der USA zu Europa vergrößert. Sie könnte unter seinem Nachfolger – selbst unter Hillary Clinton – noch wachsen, wenn die Briten als verlängerter Arm der Amerikaner auf dem Kontinent durch ihren EU-Austritt massiv an Einfluss verlieren sollten. Weiter östlich stellt sich im selben Jahr Ministerpräsident Shinzo Abe zur Wahl. Der japanische Reformpolitiker wartet noch auf den durchschlagenden Erfolg seiner riskanten Fiskal- und Geldpolitik. Der finanzielle Kollaps des Landes rückt immer näher. 2017 muss sich in Frankreich der große Zögerer François Hollande den Wählern stellen. Er lässt in einem Akt der Verzweiflung gerade die Linken aus dem sozialistischen Kabinett entfernen. Möglicherweise ist er der Wegbereiter für eine Präsidentschaft der EU-Gegnerin Marine Le Pen. Der Wahlkampf könnte zeitgleich zum möglichen Referendum der Briten über deren EU-Zugehörigkeit stattfinden. Großbritannien raus aus der EU und Frankreich mit Le Pen an der Spitze – die Folgen für die Europäische Gemeinschaft sind kaum auszudenken. Im September 2017 „krönt“ dann aus europapolitischer Sicht die deutsche Bundestagswahl den schicksalhaften Reigen. Möglicherweise muss dann mit Angela Merkel Europas einzige Führungsfigur abtreten. So fest die Kanzlerin derzeit auch im Sattel sitzt, der Wahlsieg – wenn sie es denn noch einmal machen will – ist fraglich. Ihr fehlt aller Voraussicht nach der Partner. Die FDP kann bis dahin nur durch ein Wunder aus der völligen Versenkung auftauchen. Die AfD ist auf Bundesebene als Koalitionspartner der CDU noch undenkbar. Und die SPD hat längst die Weichen für Rot-Rot-Grün gestellt. Nur ein deutlicher Sieg Merkels könnte sie an der Spitze einer vielleicht erneut Großen Koalition halten. Die Brisanz der politischen Weichenstellungen entsteht aus der Gesamtkonstellation. Europa ist nach wie vor finanziell und wirtschaftlich äußerst labil. Es steht in einer riskanten Auseinandersetzung mit Russland.
Fazit: Eine Häufung politischer Entscheide auf höchster Ebene zum Nachteil der europäischen Sache, flankiert von ungünstigen Chefwechseln in Japan und den USA, hat das Zeug, die Finanzkrise neu zu entflammen. Unternehmer sollten dieses Risiko gut im Auge behalten.