Irland mischt Positionsfindung auf
Jetzt mischt die Regierung des EU-Landes Irland die Positionsfindung auf. Veradkars wichtigstes Motiv ist die kritische Grenzfrage zwischen Irland und dem britischen Nordirland.
In der britischen Regierung ist ein heftiger Grabenkrieg um die Brexit-Verhandlungen ausgebrochen. Von einer einheitlichen Position kann längst nicht mehr die Rede sein. Insbesondere die internen Auseinandersetzungen über den Umgang mit den vielen Ausländern im Lande spitzt sich zu.
Jetzt mischt die Regierung des EU-Landes Irland die Positionsfindung auf. Der irische Premierminister Leo Varadkar, ein Kind asiatischer Einwanderer in Irland, hat just offengelegt, dass es in UK inzwischen eine feste Allianz von Schottland und Wales zum Verbleib in der EU gibt. Schottlands Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon hatte das stets angestrebt. Offenbar zieht Carwyn Jones, Ministerpräsident von Wales, nun aber am gleichen Strick und strebt einen Verbleib in der EU an. Das hören wir von unserem Korrespondenten aus UK.
Irlands Premier will in Brüssel alles dafür tun, die “Tür zum Verbleib in der EU offen“ zu halten. Konkret will er, dass UK wenigstens in der Zollunion und im Gemeinsamen Markt bleiben. Falls das nicht möglich ist, will Veradkar sich dafür einsetzen, dass es ein neues Vertragswerk zwischen Brüssel und London gibt, das im Kern auf dieses politische Ziel hinausläuft.
Veradkars wichtigstes Motiv ist die kritische Grenzfrage zwischen Irland und dem britischen Nordirland. Nach einem Brexit wird dort die Grenze zwischen EU und UK verlaufen. Dann müssten scharfe Grenzkontrollen erfolgen, die Freizügigkeit kontrolliert werden. Viele Beobachter fürchten, dass es in beiden irischen Regionen dann zu einem schnellen Aufflammen der alten militanten Konflikte kommen wird. Das wollen Dublin und London in jeden Fall verhindern.
Darum wird im Kabinett von Theresa May mit allen Mitteln um die Deutungshoheit in der Frage der Freizügigkeit gerungen. Schatzkanzler Phil Hammond hatte vorige Woche erklärt, dass der freie Personenverkehr zwischen EU und Großbritannien nach dem EU-Austritt im Frühjahr 2019 wenigstens noch drei Jahre voll gesichert sei. Liam Fox, einer der mit Brexit-Aufgaben betrauten Minister hielt am Wochenende scharf dagegen. Er betonte: Davon könne nicht die Rede sein.
Nordirland hält unbeirrt an seinem Brexit-Ziel fest. Die DUP, die stärkste Partei Nordirlands, ist Koalitionspartner der britischen Premierministerin Theresa May und sei absolut nicht gesprächsbereit. Das sichert die Macht von May. Nur dank der Koalition mit der DUP hat sie eine ganz kleine Mehrheit im Unterhaus.
Schottland und Wales versuchen, gegen May zu mobilisieren und die Regierung zum Kurswechsel zu zwingen. Dabei stützen sie sich auf die Abgeordneten der schottischen Nationalpartei (SNP) und auf die Labour Party. Sie hoffen auf deren Stimmen in Brexit-relevanten Abstimmungen. May soll so gezwungen werden, einen weichen Brexit zu verhandeln.
Fazit: Der Druck auf May wächst weiter. Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass es einen „soft brexit“ gibt. Würde May plötzlich gestürzt, hätte Schatzkanzler Hammond die besten Chancen, die Nachfolge anzutreten. Er träte klar für eine weiche Lösung ein.