Kanzlerkandidatur: Wirtschaft fürchtet Gabriel
Sigmar Gabriel hat als Parteichef den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur für die SPD. Inzwischen löst das in der Wirtschaft Furcht aus.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sorgt bei der deutschen Industrie (wieder einmal) für Kopfschütteln (FB vom 29.8.). Auf dem Tag der Deutschen Industrie in Berlin, auf dem er selbst als Redner auftrat, war hinter vorgehaltener Hand manches kritische Wort zu hören. Gleich drei Ereignisse aus jüngster Zeit geben dazu Anlass: eine tiefenpsychologisch angelegte Story im Spiegel, seine Äußerungen zur Deutschen Bank und seine Einlassungen im Vorfeld seiner Iran-Reise. Der Spiegel zeichnet vom Vize-Kanzler das Bild eines an sich zweifelnden Politikers. Ein Mann, der selbst nicht weiß, ob er Kanzler kann. Dazu Sequenzen aus seiner schwierigen Kindheit, die bis heute seelische Spuren hinterlassen hat. Gabriel erscheint als ein nach Anerkennung suchender, innerlich nicht gefestigter Mensch. Er selbst hatte die Informationen aus seiner Kindheit in die Presse gebracht. Kann jemand, der ständig um Zuneigung ringt und das zum öffentlichen Diskussionsthema macht, ein guter Kanzler sein?, fragt mancher Manager auf dem Tag der Deutschen Industrie (TDI). Dann Gabriels Kritik an der Deutschen Bank. BDI-Präsident Ulrich Grillo betonte noch einmal deren große Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Der Wirtschaftsminister hatte auf seiner Reise in den Iran gesagt: „Ich mache mir Sorgen um die Menschen, die dort beschäftigt sind.“ Das wird als Nachtreten gegen Deutschlands größte Bank gewertet, die ohnehin gerade am Boden liegt. Die Iran-Reise selbst wird durch Gabriels ungeschickte Kommentare zum Flop. Noch vor dem Abflug nach Teheran sagte er in einem Interview, ein normales freundschaftliches Verhältnis zu Iran könne Deutschland nur herstellen, wenn Iran das Existenzrecht Israels anerkenne. Dann mahnte er noch die Einhaltung der Menschenrechte an und mokierte sich über die Unterstützung Präsident Assads in Syrien. Mit Folgen. Gabriel wurde im Gegensatz zum Juli 2015 nicht von Staatspräsident Hassan Rohani empfangen. Auch Außenminister Mohammed Sarif ließ ihn abblitzen, Parlamentspräsident Ali Laridschani sagte einen Termin brüsk ab. Gabriel wollte „die Reformkräfte stärken“, konnte aber zur Besserung der unverändert schlechten Wirtschaftslage im Iran nichts beitragen. Eine Lage, die gerade die Reformkräfte um den Staatspräsidenten zunehmend in die Bredouille bringt.
Fazit: Nur durch einen politischen Unfall kann Sigmar Gabriel Kanzler werden. Aber möglich ist es. Inzwischen löst das in der Wirtschaft Furcht aus. Denn der Vize-Kanzler scheint nicht zu wissen, was er will – und auch nicht, was er tut.