Lindners Kampf um Platz 3
Die Liberalen haben vor der Bundestagswahl am 24.9. durchaus Chancen auf Platz 3 und damit die Rolle des Oppositionsführers.
Die FDP kennt beim Kampf um Platz 3 keine Skrupel. Die Roten Linien, die die FDP vor zwei Jahren für eine Regierungsbeteiligung ziehen wollte, sind nur noch Leitplanken, die deutlich mehr Spielraum lassen.
Christian Lindners Truppe übernimmt ohne zu zucken Grundpositionen der AfD. Ihr Ziel: Zahlreiche abtrünnige Wähler aus dem liberalen Spektrum zurückzugewinnen. So haben der FDP-Chef und seine Getreuen die Öffentlichkeit mit einigen Aussagen überrascht, die man – wenn auch mit anderen Worten – sonst nur von den Rechtsaußen zu hören bekam: in der Flüchtlingspolitik, der Russland-Politik und der Euro-Politik.
Gelernt hat die FDP von der Kanzlerin. Die hat mehrfach vorgemacht, wie man Themen abräumt und zeitgleich Wählerpotentiale mitnimmt, indem man Forderungen des politischen Gegners einfach übernimmt – zuletzt bei der Obergrenze fürs Rentenalter.
In seiner Argumentation beharrt Frontmann Lindner auf den rechtsstaatlichen Grundlagen seiner Position. Etwa bei der Flüchtlingsrückführung. „Keine Abschottung, aber Kontrolle“. In der Russlandpolitik setzt er auf Pragmatismus. Er will die Sanktionen lockern, auch ohne dass Russland die Krim zurück an die Ukraine gibt – was ohnehin nie geschehen wird. Auch damit hat er die Wirtschaft an seiner Seite.
Am meisten irritiert die Europolitik der FDP die Wirtschaft, zumindest die Konzerne. Hier will die FDP klare Kante und weitere Bürgschaften für marode Länder unterbinden. Damit schafft er sich Gegner wie den weltgrößten Vermögensverwalter Blackrock. Dessen Kapitalmarktstratege Martin Lück warnt sogar vor einer Regierungsbeteiligung der Liberalen. Er sieht die Risikoaufschläge für Europas Südstaaten wieder steigen, wenn die Liberalen mit ihrer ordnungspolitisch klaren Haltung in die Verantwortung kommen.
Das führt zu interessanten Konstellationen. Ausgerechnet der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Sven Giegold, schlägt sich auf die Seite der Großkapitalisten von Blackrock und rügt die FDP für ihre Haltung als „Gift für Europa und den Euro“.
Fazit: Bisher hat die FDP ihren politischen Grenzgang in der Öffentlichkeit ohne größere Blessuren überstanden. Lindner hat stets lautstark die verbale Abgrenzung zur AfD betrieben. Ob die Rechnung beim Wähler aufgeht, wird sich am 24.9. zeigen.