Der Wahlsieg von Theresa May ist weiter sicher. Die Tories werden die Parlamentswahlen am 8. Juni gewinnen. Ihren Sitzvorsprung im Unterhaus wird die britische Premierministerin ausbauen können. Vier große Umfragen am 27. Mai gaben Frau May einen Vorsprung vor Labour von sechs, sieben, zehn und zwölf Prozentpunkten. Die britischen Gewerkschaften, die weitgehend Labour finanzieren, haben inzwischen betont, es wäre ein großer Erfolg, wenn sich die Mandatsverluste von Labour in engen Grenzen hielten.
Dennoch droht May zur Wahlverliererin zu werden. Sie hatte ursprünglich auf zusätzlich 50 bis 60 Abgeordnete als Mehrheit gesetzt. Inzwischen wird in London meist nur noch auf 25 bis 30 zusätzliche Abgeordnete getippt. Sie sucht den großen Vorsprung, um in den Brexit-Verhandlungen mit der EU eine starke Position zu haben. Je mehr das Ergebnis unter den Ausgangserwartungen liegt, desto schwächer wirkt May – alles ist eben relativ.
May selbst hat den satten Vorsprung verspielt. Der Grund liegt im Wahlprogramm der Konservativen. Entgegen den Erwartungen ist darin eine beabsichtigte Neuregelung der Kosten für die Heimunterbringung von alten Kranken enthalten. May wollte, dass Kranke alle Kosten selbst tragen müssen, solange sie über mehr als 100.000 Pfund Vermögen verfügen. Dies wird von weiten Teile des britischen Mittelstands nachdrücklich abgelehnt. Bisher galt, dass die Kostenbezahlung aus eigenen Mitteln nicht über 72. 000 Pfund hinausgehen sollte. Zwar wurde dieser Punkt inzwischen ersatzlos aus dem Wahlprogramm gestrichen. Geblieben ist aber die Unsicherheit, ob Theresa May ihre Vorstellungen nach dem Wahlsieg nicht bald wieder aufleben lassen wird.
Noch ein weiterer Punkt lässt die Strahlkraft erblassen, die May noch vor wenigen Wochen zu haben schien. Viele konservative Wähler wollen keine May-Partei wählen, sondern die Konservative Partei unter Führung von Frau May. Mit ihrer Überbetonung, nur sie könne erfolgreiche Brexit-Verhandlungen führen, hat May diese Wählerschicht verprellt.
Gewinner dieses Unmuts scheinen die Liberalen zu sein. Sie liegen in den Umfragen jetzt bei 9%. Die kleineren Parteien haben in zahlreichen Wahlkreisen darauf verzichtet, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Das gilt vornehmlich für UKIP und die Grünen. UKIP steht nur noch in einer Minderheit der Wahlkreise auf den Wahlzetteln. In Schottland bröckelt die große dortige Mehrheit der schottischen Nationalisten. Das aber verläuft hauptsächlich zugunsten der Konservativen, also von Theresa May.
Der schwere Anschlag von Manchester hat das Bild nicht wesentlich verändert. Die Kritik an den noch nicht als ausreichend eingeschätzten Sicherheitsanstrengungen fiel insgesamt milde aus.
Fazit: May wird am 8. Juni das Rennen machen, auch wenn die Umfrage vom 1. Juni ihr nur noch einen Vorsprung von vier Prozentpunkten prognostiziert. Der Vorsprung wird keinesfalls reichen, um die EU zu beeindrucken.