Union im europäischen Abwärtssog
Um sich zusammenzuraufen, hilft Angela Merkel und Horst Seehofer ein Blick über den deutschen Tellerrand.
Für Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) geht es beim Friedensgespräch am 24. und 25. Juni um mehr als um ihr angeknackstes persönliches Verhältnis. Beide werden sich vor Augen führen, dass der christlichen Union in ein paar Jahren ein ähnliches Schicksal droht wie den meisten ihrer Schwesterparteien in Europa – und den sozialdemokratischen Volksparteien ohnehin: der Fall unter 40 oder sogar unter 30% der Wählerstimmen. Raufen sich beide nicht zusammen, ist der Absturz programmiert. Die Union schaffte es bei landesweiten Wahlen als einzige „rechte“ politische Kraft zuletzt noch auf über 40% der Wählerstimmen. Von Maltas Nationalist Party sehen wir einmal ab. In gerade mal sechs von 28 Mitgliedstaaten der EU sind noch konservative Regierungschefs an der Macht. Portugal, Luxemburg, die Niederlande, Polen, Rumänien, Griechenland und Malta verbannten die Christdemokraten in die Opposition. In etlichen Ländern wurden die konservativen Kräfte geradezu pulverisiert. In Dänemark stürzte die Konservative Volkspartei von 23,4% (1984) auf 3,4% (2015), die ÖVP in Österreich von 48,4% (1966) auf 15,1% (2012), die griechische Nea Dimokratia kam zu Hochzeiten auf 54,4% (1974) und schaffte zuletzt noch 28,1% (2015). Litauens Vaterlandsunion kam einst auf 40,0% (1996) und landete zuletzt bei 15,1% (2012). Die polnische Bürgerplattform (PO) stürzte von 41,5% (2007) auf 24,0% (2015). Silvio Berlusconis Forza Italia erreichte mal 38% der Wähler, 2013 noch 22%. Spaniens Konservative bekamen Ende 2015 noch 28,7% der Stimmen – zuvor waren es 44,6%. Die Liste lässt sich noch lange fortsetzen. Wirklich stabil und innenpolitisch konkurrenzlos steht nur einer da: Ungarns Viktor Orban. Ausgerechnet das schwarze Schaf in Reihen der sich als konservativ und christlich sozial bezeichnenden Europäischen Volkspartei(en) kann an der Spitze seines Wahlbündnisses unumstritten schalten und walten. Seine Position ist wohl stabiler als jene Merkels in Deutschland.
Fazit: Es ist nicht zu erwarten, dass der Abwärtssog der Konservativen in Europa CDU/CSU verschont. Die Union kann sich dem, wenn überhaupt, nur geeint entgegen stemmen. Merkel und Seehofer werden also kompromissbereit nach Potsdam reisen.