Exklusivität versprochen, Massenware geliefert
Die Commerzbank Aktiengesellschaft - Private Wealth Management hat sich mit dem Beratungsgespräch für die Auswertung von Vermögensstrategie und Portfolioqualität qualifiziert. Als Fazit hielt die Prüfinstanz fest:
Obwohl wir aus Versehen im Zweitgespräch unseren Klarnamen verraten und damit klar ist, dass es sich um einen Test handelt, lässt sich der Berater durch diesen Fauxpas nicht beirren. Auf jeden Fall erleben wir eine fundierte Rundumberatung, die nur durch ein paar Schwächen beeinträchtigt wird. So hätten wir uns in Vorbereitung auf das Zweitgespräch einen konkreten Anlagevorschlag per Mail gewünscht. Den bekommen wir aber erst während des Zweitgesprächs. Und auch die telefonische Anbahnung wird nicht durch ein Protokoll gekrönt. Doch ansonsten sind wir vor allem von der Persönlichkeit des Beraters - fachlich und menschlich - beeindruckt.
Bewertung von Vermögensstrategie und Portfolioqualität
Die Commerzbank versucht, mit Masse statt Klasse zu überzeugen – und ist dabei wenig glaubwürdig. Die Präsentation, die wir erhalten, kommt auf stolze 76 Seiten und erhebt im Titel den Anspruch “exklusive Lösungen für unser Vermögen” zu präsentieren. Was wir zu lesen bekommen, ist aber keineswegs ein für uns ausgearbeiteter Vorschlag, sondern eine Beschreibung der hauseigenen Vermögensverwaltung, dann der Nachhaltigkeits- und ETF-Mandate. Dazu sehen wir Musterportfolios, die ebenfalls nichts mit unserem Anlagewunsch zu tun haben. Exklusiv und individuell geht wahrlich anders.
Für die Großbank sind wir anscheinend kein Kunde, der einen maßgeschneiderten Vorschlag wert wäre. Was wir lesen ist lediglich eine Vermögensstruktur, eine Herleitung im eigentlichen Sinn erfolgt nicht. Ein Pfeil markiert, dass die Bank uns das Modell “Vermögenswachstum” mit einem hohen Aktienanteil von 75% empfiehlt. Allerdings will sie nur einen Teil unseres anzulegenden Vermögens auf diese Weise anlegen, nämlich 450.000 Euro. Weitere 100.000 sollen in einen offenen Immobilienfonds wandern, der Rest in einen Allianz-Schatzbrief – also eine Lebensversicherung. Das Kapitel über nachhaltige Vermögensverwaltung ist mit Grafiken und Symbolen so überfrachtet, dass es schwerfällt, sich zu orientieren. Ein ganz klarer Fall von “Weniger ist mehr”. Hier hat sich scheinbar das hauseigene Marketing ausgetobt und dabei stark auf visuelle Präsentation gesetzt. Der Mangel an Erklärungen in Textform sorgt bei uns aber mehr für Verwirrung denn Erleuchtung.
Stresstest
Immerhin gibt es zumindest eine Art von Stresstest. Bei den vorgestellten vier Standardlösungen sehen wir, dass unser Portfolio in der Finanzkrise ca. 30% Minus gemacht hätte. Das Verlustmaximum lag in den Jahren 1987 bis Ende 2018 bei knapp 45%. Bei einer solchen Zahl schluckt der Leser erst einmal. Aber es ist eine klare Ansage, die unmissverständlich dargestellt ist. Darin liegt nichts Schlechtes, denn viele Mitbewerber trauen sich schlicht einfach nicht, beim Thema Verlust Zahlen und Fakten klar zu benennen.
Finanzinstrumente
Ein sehr irritierender Faktor des Ganzen liegt darin, dass in der detaillierten Präsentation der Anlageinstrumente nicht mehr das anfänglich als für uns geeignet empfohlene Vermögenswachstumsdepot zugrundegelegt wird, sondern das risikoärmere Vermögensausbau-Depot. Das vorgestellte Depot – was immer es nun genau mit unserem Portfolio zu tun hat – enthält Einzelwerte und einige ergänzende Fonds. Wie nachhaltig diese sind, geht daraus nicht hervor, obwohl wir es deutlich als Kriterium formuliert hatten. In dieser Hinsicht leisten andere Häuser, die ein Nachhaltigkeitsscreening mitliefern oder zumindest auf das Thema eingehen, wesentlich bessere Arbeit. Die ETF-Mandate der Bank – für uns nicht uninteressant, gerade im Vergleich zu unserem selbst erstellten Portfolio – sind zur Gänze frei von Nachhaltigkeit. Auch das ist ein schwacher Auftritt, denn auch das ETF-Anlageuniversum bietet in den letzten Jahren nachhaltige Lösungen. Ansonsten sehen wir noch diverse allgemeine Informationen, darunter auch eine abermals unübersichtliche Darstellung zum Thema Indexpartizipation.
Der Allianz-Schatzbrief bleibt für uns restlos intransparent. Damit liefert die Bank drei getrennte Lösungen, aber kein Werk aus einem Guss. Das ganze Papier ist, mit anderen Worten, nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Stresstests sind damit auch wieder nur Teilinformationen. Eine stringente Lösung für unseren “Fall” ist nicht zu erkennen und somit schon gar keine Exklusivität.
Gebühren
Es geht in diesem Stil weiter, denn auch die Kostenbeschreibung fällt mager aus. Hauptsächlich können wir daraus ableiten, dass eine Vermögensverwaltung teuer ist. Bei der ETF-Vermögensverwaltung sehen wir eine Gebühr von stattlichen 1,27% (inklusive einer erfolgsabhängigen Gebühr). Für diesen Preis bieten Wettbewerber deutlich individuellere Lösungen an. Einen Mehrwert gegenüber unserer ETF-Lösung aus dem Internet können wir folglich in keiner Weise erkennen.
Beim Nachhaltigkeitsdepot belaufen sich die Kosten auf 1,25% Gebühr.
Bezüglich des Allianz-Schatzbriefs erhalten wir überhaupt nur mündliche Informationen. Aus der schriftlichen Ausarbeitung geht nirgendwo hervor, dass die Kosten dafür bei mehr als 2% p.a. liegen. Ob die Anlage diesen stolzen Preis wert ist, können wir nicht ermessen, da sie zu wenig beschrieben ist.
Portfolioqualität
Da bis zuletzt unklar bleibt, welches Portfolio nun wirklich für uns gedacht ist, können wir die Qualität nicht bewerten.
Fazit
Wir erhalten eine unglaubliche Masse von Einzel-Präsentationen. Leider ist daraus kein konsequent hergeleiteter und zu Ende gedachter Anlagevorschlag für uns zu ersehen. Was wir erblicken, vermittelt den Eindruck eines zusammengestückelten Sammelsuriums aus Vermögensverwaltung, Allianz-Schatzbrief und Immobilienfonds. Die Portfolioqualität ist nicht bewertbar, weil sich kein Gesamtbild ergibt und vor allem der Schatzbrief mangelhaft dokumentiert ist. In der Kategorie “Vermögenstrategie” ist die Commerzbank Lichtjahre entfernt von dem, was Wettbewerber leisten. Punkten kann sie ausschließlich mit ihren klaren, ungeschminkten Aussagen im Stresstest. Exklusivität können wir hier nicht einmal im Ansatz erkennen.
2021 (TOPs 2021)
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