Mehr Schein als Sein bei Adidas
Die letzte Hauptversammlung war ein Spaziergang für den neuen Adidas-Chef Kasper Rorsted: Ein Umsatzplus von 14 Prozent, ein Rekordgewinn von einer Mrd. Euro. Dennoch ist Rivale Nike weiterhin der Trendsetter im globalen Sportbusiness. Adidas investiert deshalb noch mehr ins Marketing. Das Geld kassieren seit jeher Sportler, Vereine wie der FC Bayern München, an dem der Konzern beteiligt ist, und auch höchst dubiose und mächtige Sport-Verbände wie die FIFA oder das IOC. „Adidas ist so etwas wie der Pate des internationalen Sports", schreibt die taz im Sommer 2016 – auch mit Blick auf den Fall Hoeneß. Die enge Verbindung zu Ex-FIFA-Boss Blatter oder IOC-Präsident Bach werfen einen Schatten auf den Sportartikelproduzenten. Über die massiven Compliance-Risiken des tiefkorrupten Sportbusiness erfährt der Investor nichts.
Verhaltenskodex
Geradezu mustergültig, weil thematisch sehr umfassend und anschaulich beschrieben, ist der Verhaltenskodex: Klare Verbote, verständliche Q&As, rote Karten als Zeichen für absolute NoGos, klare Dokumentation von Zahlungen und Geschenken. Nur ganz wenige typische Bereiche (Geldwäsche, Handelskontrollen) werden nicht oder nur in Randbereichen abdeckt. Die Vorbildfunktion der Führungskräfte wird mehrfach sehr deutlich angesprochen. Auch Arbeitnehmerschutz, Diskriminierungsverbot, Produktsicherheit, etc wird alles schön allgemein beschrieben. Adidas will „gesetzliche Vorgaben nicht nur erfüllen, sondern übertreffen" (S. 32). Hier marschiert Adidas an der Spitze des DAX.
Lieferantenkodex
Als Produzent mit Sub-Zulieferern in Dritte-Welt Ländern ist die Ausbeutung von Billigarbeitern und mangelnde Gesundheits- (giftige Klebechemikalien) und Umwelt-Standards (Vermüllung durch Kunststofffasern) ein Ärgernis. Adidas ist ein perfektes Beispiel wie Großkonzerne solche Risiken proaktiv managen. Ein ständiges Geloben eigener Besserung bei gleichzeitigem Festhalten an den Minimalstandards, die der Markt (angeblich) vorgibt und die man durch politisches Lobbying unten hält. Ein Whistleblower-System für Arbeiter in den Lieferketten gibt es nicht, auch keine Angaben zu Audits oder Zertifizierungen. So wirkt der schöne Kodex wie eine Darstellung wichtiger Punkte ohne Sanktionen und Überwachung, kurz: wie ein „zahnloser Tiger".
CMS Compliance-Management-System
Im Geschäftsbericht steht (2016 S.121), dass vierteljährlich eine detaillierte Compliance-Risikoanalyse in ausgewählten Geschäftsbereichen durchgeführt wird. Das klingt indirekt so, als ob das Unternehmen bisher keine flächendeckende Risikoanalyse über alle Geschäftsbereiche hinweg durchgeführt hat, sondern dies nach und nach punktuell erledigt. Ob Adidas ein Stakeholder-Monitoring der Sportfunktionäre und Politiker auf ihre Bestechlichkeit durchführt, erfährt der Investor nirgends. Das bringt entscheidende Punkteabzüge.
Kommunikation
Laut Homepage arbeitet Adidas unablässig daran, die Welt für Kunden, Sportler, Mitarbeiter und Umwelt besser zu machen. Die Kommunikation ist nicht defensiv, sondern man zieht mit den NGOs gleichsam am selben Strang, verliert aber Kosten und Profit nie aus dem Auge (Botschaft an die Investoren). Das wird bunt und journalistisch flott kommuniziert, wofür Adidas beim Ranking der bestgeschriebenen Verhaltenskodices des Compliance Magazin 2016 den ersten Platz von allen DAX 30 einnahm. Keine Antwort hat Adidas aber auf die radikale Kommerzialisierung der Sportwettbewerbe (inkl. Doping) und auf die Anzeichen einer Übersättigung beim kaufkräftigen westlichen Publikum. Football Leaks meint man überstanden zu haben. Aber die Einschläge kommen näher und der Krug geht bekanntlich so lange zum Brunnen bis er bricht.
FAZIT:
Mehr Schein als Sein offenbart sich bei adidas. Zweifel an der „gelebten“ Complianceorientierung führen zu einem erhöhten Investorenrisiko.
Hinweis: Die Untersuchung wurde im Juli 2017 abgeschlossen. Nachträglich veröffentlichte Dokumente wurden nicht systematisch begutachtet. Erläuterungen zur Risikokennzahl, zum Rating und zu den Auswertungskategorien finden Sie hier.