Nicht flexibel und gründlich genug
Um den Ruf der Bank Julius Bär in der Schweiz steht es gerade nicht zum Besten. Dass der neue CEO Philipp Rickenbacher Anfang September als erste Personalie den Compliance-Chef entlassen hat, gilt für viele Experten nur als die Spitze eines Eisberges. Aufräumen scheint angesichts der Nähe der Bank zu Geldwäscherei- und Risikokunden-Fällen notwendig.
Wir sind bei der Tochter in Deutschland unterwegs. Sie steht nicht unmittelbar im Fokus der Behörden. Als wir im April unseren Test absolvieren, liegt die Bank ohnehin noch in einem – wenn auch unruhigen – Dornröschenschlaf.
Der Kunde und sein Anliegen
Wir sind 25 Jahre alt und seit dreieinhalb Jahren selbstständiger Vermögensberater bei einem großen Finanzvertrieb mit Spezialisierung auf Baufinanzierungen und Altersvorsorge. Investmentberatung gehört zwar zu unserer Qualifizierung. Wir kennen uns allerdings aufgrund fehlender Praxis nicht gut genug damit aus, um die Summe von 750.000 Euro, um die es zunächst geht, selbst optimal anzulegen.
Wir sind ledig und seit zehn Jahren mit unserem Partner zusammen. Vor anderthalb Jahren haben wir gemeinsam relativ günstig ein Haus gekauft und aufwändig saniert. Außerdem gehört uns seit einigen Jahren eine Eigentumswohnung, die seitdem vermietet ist. In beiden Fällen gehört uns jeweils die Hälfte der Immobilie. Zu unseren Vermögenswerten gehört zudem eine hohe fünfstellige Summe. Diese ist teils auf dem Girokonto, teils in Fonds, zum Teil in einem Bausparvertrag sowie – zu einem geringen Teil – in Kryptowährungen angelegt.
Wir wollen keine hohen Kosten
Unser Opa hat zu unserer Geburt eine Term-Fix Versicherung auf unseren Namen bei einer großen Versicherung abgeschlossen, die in Höhe von 750.000 Euro im Juni 2022 fällig wird. Dazu kommt ein zweiter Vertrag, der ursprünglich auf den Namen unserer Mutter lief, wegen Familienstreitigkeiten dann aber vor 15 Jahren auf uns überschrieben wurde. Dieser Vertrag ist bereits im Dezember vergangenen Jahres an uns ausbezahlt worden. Nun liegt das Geld seit Dezember auf unserem Girokonto. Dieser Bank wollen wir das Geld allerdings nicht anvertrauen.
Wir denken daran, die 750.000 Euro über einen Robo-Advisor – justETF – in Indexfonds anzulegen, schon wegen der geringen Gebühren. Außerdem haben wir von Kollegen gehört, dass sie bereits sehr erfolgreich mit ETF-basierten Portfolios waren. Mithilfe von Kollegen haben wir dort probeweise ein Musterportfolio mit dem Risikoprofil 80 Prozent Aktien und 20 Prozent Anleihen erstellt. Nun wollen wir bei der Bank Julius Bär herausfinden, ob sie mit diesem Anlagevorschlag mithalten kann oder einen geldwerten Mehrwert bietet. Denn uns ist nicht wohl bei dem Gedanken, auf uns allein gestellt eine Marktphase wie im vierten Quartal 2018 durchstehen zu müssen.
Der telefonische Erstkontakt
Wir rufen in der Düsseldorfer Dependance des Bankhauses Julius Bär an und erreichen die Sekretärin, von der wir direkt erfahren, dass Geldanlage und Vermögensverwaltung erst ab einer Million Euro möglich wären – aber es gebe Ausnahmen. Wir werden zu einem Berater durchgestellt, dem wir kurz unser Anliegen erzählen. Er möchte daraufhin wissen, ob wir bei dem Vermögensberater, bei dem wir beruflich tätig sind, Erfahrungen mit der Vermögensverwaltung gesammelt haben, und woher das Geld stammt.
Wir vereinbaren einen Termin für ein unverbindliches Kennenlerngespräch und erhalten eine Empfehlung für die Anreise. Es gibt weder einen Hinweis darauf, ob das Telefonat mitgeschnitten wird, noch ein schriftliches Protokoll oder eine Gesprächszusammenfassung.
Das Gespräch mit den Beratern vor Ort
Die Bank hat ihre Geschäftsräume in einem großen Bürogebäude, das höchst professionell wirkt. Wir benutzen die Einfahrt zum Parkplatz mit einer Schranke, die sich öffnet, nachdem wir unsere Namen mitgeteilt haben. Wir werden freundlich begrüßt. Das Innere des Gebäudes präsentiert sich sehr neu und modern eingerichtet. Die Konferenzräume sind nach Städtenamen benannt.
Der Raum, in den uns die Sekretärin führt, ist harmonisch eingerichtet, alles ist aufeinander abgestimmt. Die Sekretärin bietet unserem Partner, den wir zum Gespräch mitgenommen haben, und uns einen Kaffee an. Wir nehmen an einem großen Tisch Platz und entdecken einen separaten Tisch mit einer Art Getränkebar.
Gemeinsamkeiten finden
Zwei Berater betreten den Besprechungsraum und starten nach der Begrüßung mit einer Runde Smalltalk, in der es darum geht Gemeinsamkeiten zu finden. Das erzeugt eine angenehme Atmosphäre. Wir fühlen uns wohl.
Die beiden Berater stellen kurz sich und ihre Bank vor, danach sind wir an der Reihe. Wir sagen ein paar Sätze zu uns und unserem Partner. Die Berater haben sich auf einem Zettel Fragen notiert, die wir im Folgenden durchgehen, und sie machen sich eifrig Notizen. Es geht um unser Risikoprofil, den Anlagehorizont, unsere Ziele und Wünsche in den kommenden fünf Jahren. Auch Kosten und Rendite werden kurz angeschnitten.
Wenig Interesse an unseren Finanzen
Uns fällt auf, dass die Berater relativ wenig über unsere derzeitige finanzielle Situation wissen möchten. Was wir nicht selbst erzählen – also welche Vermögenswerte wir haben, was wir an Eigentum besitzen, welchen Wert es hat und auch, welches Einkommen wir haben – erfahren sie entsprechend auch nicht. Das ist schon ungewöhnlich.
Uns gefällt auch nicht sonderlich, dass sie demgegenüber genau wissen wollen, was uns an der Bank, bei der wir unser Girokonto haben, nicht gefällt. Ganz arg wird es, als sie anfangen den Wettbewerber schlechtzureden. Das ist kein guter Stil.
Bär-Gruppe ist breit aufgestellt
Danach geht es ein wenig um die Anlagephilosophie der Bank. Anleihen, bemerken die Berater, erwirtschafteten keine Zinsen mehr. Emerging Markets, China und USA sei die interessanteren Märkte. Wenn etwas in der USA nicht richtig läuft, merken wir das in Deutschland doppelt heftig, da Amerika unseren Markt beherrsche. Daher sollten wir lieber in den USA und Co. investieren.
Die Julius Bär-Gruppe sei breit aufgestellt, unter anderem mit einem Sitz in China, wo sie direkt an der Quelle sei und schnell neue Infos über die Marktsituation bekomme. Dadurch könne man ohne Verzögerung handeln, während andere Marktteilnehmer noch ahnungslos seien. Sehr selbstbewusst, diese Ansage ...
Keine Argumente contra ETFs
Was die Kosten betrifft, könnten wir mit etwa 1,25% auf den Anlagebetrag rechnen, erklären die Berater. Der Betrag werde jedes halbe Jahr neu berechnet. Es handle sich um eine All-in Gebühr, so dass es keine versteckten Kosten gebe. Wir erfahren außerdem, dass sie keine Ausgabeaufschläge bei Fonds berechnen.
Die Betreuung nach dem Gespräch
Mit erheblicher Verzögerung – genau sechs Tage nach dem Vor-Ort-Gespräch – bekommen wir ein Gesprächsprotokoll. Es erscheint uns ganz gut und verständlich. Es ist allerdings fehlerhaft. Zum einen wird der Termin für die Auszahlung der zweiten Versicherung falsch wiedergegeben, obwohl wir ihn erwähnen, zum anderen der Wert unseres Hauses. Wir korrigieren beides.
Der Anlagevorschlag aus der Sicht des Kunden
Einen Anlagevorschlag erhalten wir nicht. Auch nachdem wir um eine Zusendung per E-Mail bitten, passiert nichts. Voraussetzung wäre ein Zweitgespräch, heißt es, das wir aber nicht führen, denn dafür war das Erstgespräch nicht überzeugend genug.
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Fazit: Das Gespräch ist nicht schlecht, aber es lässt das Engagement vermissen, das wir bei einer solch selbstbewussten Privatbank erwarten. Daher bestenfalls Durchschnitt, ohne jedes Highlight. Das Thema Vermögensverwaltung über ETFs bei einem Online-Portal („Robo-Advisor") wird so gut wie nicht beesprochen, so dass wir nicht überzeugt sind, dass wir mit einer Vermögensverwaltung bei Julius Bär besser fahren würden. Diese Bank schafft es nicht auf die Liste unserer Favoriten. Sie hat sich unflexibel präsentiert, macht Flüchtigkeitsfehler und geht nicht besonders auf den Kunden ein.
Adresse der Bankniederlassung / Webseite
Bank Julius Bär Europe AG, Kasernenstraße 40, 40005 Düsseldorf, Deutschland
www.juliusbaer.com/de/de/home/
HINWEIS: Dieses Bankenporträt beruht auf den Eindrücken aus einem individuellen Erstberatungsgespräch, das ein zuvor geschulter Testkunde durchgeführt hat. Die wiedergegebenen Eindrücke wurden während des Gesprächs oder unmittelbar danach schriftlich protokolliert. Subjektive Wahrnehmungen lassen sich nicht ausschließen. Der Testkunde hat sich zur Neutralität gegenüber dem getesteten Institut verpflichtet. Die Bewertung wurde nach einem festen Schema vorgenommen, das die Private Banking Prüfinstanz erstellt hat. Es beruht auf der jahrelangen – wissenschaftlich untermauerten – Beschäftigung mit dem Thema Beratungsqualität im Private Banking durch die Private Banking Prüfinstanz, Dr. Richter | IQF und Ralf Vielhaber | Verlag FUCHSBRIEFE.