Bergos ist dem nächsten großen Ding verpflichtet – hat es aber noch nicht
"Wir sind Bergos – Private Wealth ist unser Focus." Der Namensbestandteil "Berg" bestimmt die Optik auf der Website. Doch Berenberg – Gossler hat die Namensbestandteile geliefert und so ist der Name die letzte (dauerhafte) Brücke zur einstigen Mutter: 2018 erwarb eine Gruppe von Unternehmern zusammen mit dem Management 80,1% der Anteile der Berenberg Bank (Schweiz) AG und etablierten damit die Burgos Berenberg AG. 2020 gingen auch die verbleibenden 19,9% an Unternehmer, womit Bergos AG zur gänzlich unabhängigen Schweizer Privatbank wurde.
Bergos liebt Denglisch
Schon immer hatten die Schweizer eine besondere Nähe zu den pragmatischen und handelsorientierten Angelsachsen. Das führt regelmäßig zum intensiven Gebrauch des Denglischen. Ein unschöner Marketing-Mischmasch, wie man ihn auch auf dieser Webseite antrifft: Man gibt sich gerne traditionsbewusst und formuliert dann dennoch so: „BERGOS NEXT: We think & create. Committed to the next big thing.” Oder: „BERGOS AIR: Unser neues Artists in Residence Programm zur Unterstützung junger Künstler.“ Da schüttelt sich nicht nur die Rechtschreibhilfe von Word. Oh, unheiliger Schwurbel-Dämon, entweiche dieser Seite.
Kommen wir zum wirklich Wesentlichen: der Beratungsqualität. Hier erleben wir durchaus viel Gutes. Darum geht es dem Kunden:
Der Kunde und sein Anliegen
- 3,5 Mio. Euro Anlagevermögen aus Immobilien-Verkauf
- die aktuellen und noch kommenden wirtschaftlichen Schäden der Corona-Pandemie, die gestiegene Staatsverschuldung, künftige Pleiten von Unternehmen und kleinen Geschäften etc., die anziehende Inflation beunruhigen
- Wunsch, das Geld möglichst nachhaltig mit Fokus auf das Klima anzulegen
- Kein Verlust innerhalb den nächsten 5 Jahre
- Kunde hat die Hälfte seines Lebens in der Schweiz verbracht
- Die Bank ist ihm ein Begriff
- Möchte Geld nicht nur bei Großunternehmen anlegen
Stärken von Bergos
Die Berater sind interessiert am Kunden, serviceorientiert, verbindlich und verlässlich und freundlich ohnehin, die Gesprächsatmosphäre ist angenehm. Die Beratung im Team überzeugt an vielen Stellen. Der Berater ist sattelfest in der Markt-Diskussion und setzt sich mit den Befürchtungen des Kunden ernsthaft auseinander – auch wenn er sie nicht teilt. Aber immerhin: Er erkennt das zentrale Kundenanliegen. Eine Brandschutzmauer ums Vermögen hält er offenbar nicht für nötig. Die Kommunikation erfolgt über Secure Mail, die Möglichkeit zur Online-Konferenz via Skype ist kein Problem für das Haus. Klasse auch, dass der Berater die Nachhaltigkeitsexpertin des Hauses heranzieht.
Schwächen von Bergos
Man hat sich redlich bemüht – ist aber auf dem Feld der nachhaltigen Anlage noch nicht so weit, eine entsprechende Vermögensverwaltung anbieten zu können. Und neben einem ganzheitlich ausgerichteten Portfolio (es gebe aber bereits eine Vermögensverwaltungs-Strategie, die mit nachhaltigen ETFs arbeite; die Bank setzt auf Megatrends, dazu gehört auch der Klimawandel) vermisst der Kunde noch weiteres: ein Gesprächsprotokoll, einen Anlagevorschlag, eine ganzheitliche Erfassung seiner Kundensituation, eine Risikodiskussion, die diesen Namen verdient, ein Preisangebot und – Individualität. Offenbar bietet Bergos nur standardisierte Mandate an. Private Wealth ist unser Focus? Wer hat da etwas missverstanden? Auch unsere redaktionellen Fragen will man in diesem Jahr nicht beantworten. Fehlt es etwa auch an Personal?
Fazit: Bergos überzeugt in vielen Punkten, in etlichen wiederum nicht. Es ist eine sehr schweizerische Bank, die bis heute nicht in der ganzheitlichen Vermögensverwaltung angekommen ist und vielfach ihren „alten Stiefel“ putzt. Erfolgreich sind die Schweizer Banken damit. Vielleicht ist das internationale Publikum diesbezüglich nicht so anspruchsvoll. Manchem Anleger soll es ja genügen, sein Geld „sicher“ verwahrt zu wissen.
Was Bergos fehlt – und da ist man weit hinter dem Markt Standard Schweiz zurück, die auf dem Gebiet Vorreiterin ist – ist ein Angebot an nachhaltigen Vermögensverwaltungen. Aber dies ist im Aufbau. Empfehlung: Noch reicht es nicht zur Teilnahme an der Endrunde.