Gehobener Durchschnitt, aber teuer

Mit dem Namen Kofi Annan kann sich die Pictet-Gruppe schmücken. 2008 hat die Privatbank den Kunstpreis „Prix Pictet" ausgelobt. Als Ehrenvorsitzender und damit Vorsitzender der Jury konnte damals der ehemalige (inzwischen verstorbene) UNO-Generalsekretär gewonnen werden. Ganz modern sollen Fotografie und Nachhaltigkeit mit dem Kunstpreis zusammengebracht werden.

Mit dem früheren Spitzendiplomaten und der Schweizer Privatbank fanden zwei Schwergewichte ihres Fachs zueinander . Pictet verwaltet oder verwahrt 438 Milliarden Euro für seine Kunden. Die Ausrichtung ist konservativ und kundenorientiert. Auf der Website wird verkündet: "Wir wollen auf allen Ebenen partnerschaftliche Beziehungen aufbauen und pflegen, mit unseren Kunden, unseren Kollegen, der Gesellschaft sowie den Unternehmen, in die wir investieren. Damit wollen wir Vermögen erhalten und weitergeben und so der Realwirtschaft dienen."

Partnerwechsel

Seit Boris Collardi 2017 vom Chefposten der Privatbank Julius Bär zu Pictet wechselte, um einer der sieben Partner zu werden, wollen allerdings die Meinungen nicht verstummen, die über einen Abschied vom traditionsreich-konservativen Ansatz hin zu einer offensiveren und gewinnorientierteren Geschäftspolitik spekulieren.

Diskrete Adresse

Pictet ist verschwiegen. Zwar gibt die Bank – anders als viele Adressen in der Schweiz – der Redaktion generell Auskunft auf Detailfragen zu Facts & Figures. Auf wie viele Kunden sich die 438 Milliarden Euro verteilen, mag uns die Privatbank jedoch nicht mitteilen. Nettoneugeld in Höhe von 12,3 Milliarden Euro konnte im vergangenen Jahr akquiriert werden. 4.130 Mitarbeiter hat die Pictet-Gruppe weltweit. Die Zentrale befindet sich in Genf. Weltweit ist das Unternehmen an 27 Standorten vertreten. In Deutschland sind dies Frankfurt und München sowie seit 2017 Stuttgart.

Ab 1 Millionen Euro bietet das Geldinstitut Vermögensverwaltung auf Einzeltitelbasis, Fondsvermögensverwaltung sowie Private Banking. Pictet teilt den Fuchsbriefen jedoch mit: „Bei der angeführten Einstiegsgrenze handelt sich um eine allgemeine Orientierungsgröße, die eher als absolute Untergrenze zu sehen ist." Im Klartext: Wer mit der oben genannten Summe bei Pictet anklopft, kann nicht sicher sein, als Kunde akzeptiert zu werden. Bei Pictet wird nicht zwischen Private Banking und Private Wealth Management unterschieden. Ab 5 Millionen Euro gibt es eine individuelle ganzheitliche Beratung.

Zu Gast in Stuttgart

Mit aktuellen Fotoarbeiten zum bereits erwähnten Prix Pictet wurde die offizielle Eröffnung des Büros der Schweizer Privatbank in Stuttgart im Herbst des vergangenen Jahres künstlerisch aufgewertet. Wir machten uns auf in die Baden-Württembergische Landeshauptstadt um zu überprüfen, ob die Schwaben die hohen Standards der Mutter halten können.

Der Kunde und sein Anliegen

Wir sind 71 Jahre alt, Rentner, verheiratet und haben überraschend eine größere Summe von einem guten Freund unseres verstorbenen Vaters geerbt, der einst nach Südafrika ausgewandert ist. Gut 2 Millionen Euro bleiben uns nach den Berechnungen unseres Steuerberaters nach Steuern erhalten.

Wir möchten eine Millionen Euro langfristig anlegen. Wir wollen eine monatliche Ausschüttung von 5000 Euro. Um dies in den ersten Monaten zu gewährleisten, soll ein Verbrauchskonto über 100.000 Euro geschaffen werden. Und wir wollen unsere Tochter mit einer größeren Schenkung bedenken.
Wir haben das ehrgeizige Anlageziel, mit unsern Erträgen dauerhaft über dem Kapitalmarktzinsniveau zu liegen. Dafür sind wir bereit, Risiken einzugehen. Einen zwischenzeitlichen Verlust von 15 bis 20 % wollen wir hinzunehmen.

Das Telefonat

Wir erleben einen sachlichen und unkomplizierten Erstkontakt mit Pictet in Stuttgart. Sofort können wir mit einem Berater sprechen und ihm unser Anliegen schildern. Der zeigt Verständnis und möchten einen Termin mit uns machen. Bei Pictet kommt man schnell zur Sache, stellen wir fest. Bereits vier Tage später hat die Privatbank Zeit für uns. So eine zügige Herangehensweise ist ganz in unserem Sinne. 

Das Gespräch

Der erste Eindruck von Pictet in Stuttgart ist der Umstände halber nicht der beste. Das Gebäude, in dem die Privatbank ihren Sitz genommen hat, wird umgebaut. Es gibt natürlich Staub und Lärm. Aber die Bank hat vorgesorgt – davon  bekommen wir während des Gesprächs nichts mit.

Ganz anders als dieser erste äußere Eindruck gestaltet sich der erste Kontakt. Wir werden von dem Berater empfangen, mit dem wir bereits telefoniert haben. Man scheint auf uns gewartet zu haben. Und wie am Telefon, so auch bei der ersten Begegnung wirkt unser Gegenüber freundlich, sachlich und ruhig. Unser Berater wird allein das Gespräch mit uns führen. Üblich ist es bei vielen Privatbanken, dass solche Gespräche von zwei Beratern geführt werden. Vier Augen sehen schließlich mehr als zwei. Vier Ohren hören mehr als zwei. Aber möglicherweise ist unser Gesprächspartner eines besonderen Kalibers.

Ein Ausflug in die Geschichte

Uns werden zunächst die Pictet-Gruppe und ihre Geschäftsfelder nahegebracht. Die lange Historie der 1805 gegründeten Privatbank wird betont. Als ein auf die Vermögensverwaltung fokussiertes Unternehmen ist Pictet ausschließlich in den Bereichen Wealth Management, Asset Management und Asset Services tätig. Es wird kein Investmentbanking betrieben, keine Geschäftsdarlehen vergeben. Pictet ist ein partnerschaftlich geführtes Unternehmen mit sechs geschäftsführenden Teilhabern. Es gibt also keine Interessenkonflikte oder Druck von außen, heißt es.

Die Grundsätze der Besitzstruktur und Eigentumsübertragung sind seit der Gründung von Pictet 1805 unverändert. Bei so viel grundsolidem Wirtschaften können wir doch gar nicht anders als unser Geld bei Pictet anlegen, meinen wir herauszuhören. Das Eigenkapital beläuft sich auf 2,4 Milliarden Euro. Die Eigenkapitalquote liegt bei 20,4 %. Die Solidität spüren auch die Mitarbeiter. Mit 4,8 % ist die Fluktuationsrate sehr gering, hören wir.

Fokus auf Standard-Anlageklassen

In der Broschüre, die uns vorgelegt worden ist, findet sich nicht nur Aktien und Anleihen als Anlagemöglichkeiten. Es werden auch einige alternative Anlagemöglichkeiten vorgestellt. Mehrere Texte in der Broschüre sind allerdings auf Englisch enthalten. Das empfinden wir als nicht sehr kundenfreundlich. Unsere Schulzeit ist schon etwas länger her und wir sind ein bisschen aus der Übung gekommen. Und unser Wirtschafts-Englisch ist auch nicht allzu ausgeprägt. Da werden wir wohl Zuhause ein paar Internet-Übersetzungen bemühen müssen.

Dann soll unser Anliegen genauer analysiert werden. Dazu holt der Berater einen Fragebogen heraus. Für die Geldanlage relevante Erfahrungen werden abgefragt. Wir haben keine. Mit Edelmetallen hatten wir ein bisschen zu tun. Alle anderen Finanzinstrumente, von Aktien und Anleihen über Devisengeschäfte und Rohstoffe bis zu diversen Fonds und Private Equity-Produkte, sind uns bekannt, haben wir in unserem Leben jedoch nie genutzt. Unsere berufliche Tätigkeit wird abgefragt. Wir sind Rentner.

Anlageziele erfragt

Dann werden unsere Anlageziele abgefragt. Beim Risikoprofil entscheiden wir uns für die moderate Variante. Das ist die mittlere von fünf Möglichkeiten. Das wird als mittelfristiger Kapitalerhalt mit Erzielung einer angemessenen Rendite definiert. Ja, denken wir, das sollte passen.

Herangeführt an das Risiko und wie es sich anfühlt, wenn es eintritt, werden wir jedoch nicht. Zahlen werden uns nicht vorgelegt. Weder können wir einen Prozentsatz des höchstens tolerablen Verlustes benennen, noch wird uns eine Zahl abverlangt, wie hoch die Rendite ausfallen soll. Es gibt auch keine Definition von Rendite. Vor oder nach Steuern, Inflation und Gebühren? Eine zwischenzeitliche Wertschwankung von 15 bis 20% empfinden wir als akzeptabel. Die Netto-Rendite, die Pictet glaubt, dafür langfristig liefern zu können, wird uns nicht genannt.

Unser Anlagehorizont ist langfristig, also auf mehr als fünf Jahre ausgelegt. Maximierung des Ertrags bei vorübergehend hoher Volatilität wird als unser vorrangiges Ziel erkannt. Der vorgelegte Fragebogen wirkt allerdings sehr holzschnittartig auf uns im Vergleich zu den Papieren, die uns von anderen Privatbanken vorgelegt worden sind.

Kopie des Fragebogens an den Kunden

Damit wir noch einmal nachlesen können, was unser Berater mit dem Fragebogen protokoliert hat, bekommen wir eine Kopie. Es folgt eine freundliche Verabschiedung. Nach 75 Minuten ist das Gespräch beendet. Das ist zügig, ganz in unserem Sinne, zumal wir eine angenehme Gesprächsatmosphäre erleben. Denn alles Wichtige scheint besprochen worden zu sein. Wir haben einen kompetenten Gesprächspartner erlebt, der sich gewissenhaft um unser Anliegen zu kümmern scheint.

Die Nachbetreuung des Gesprächs lässt allerdings zu wünschen übrig. Wir bekommen kein Gesprächsprotokoll, mit dem etwaige Missverständnisse oder Fehlinterpretationen aufgeklärt werden könnten. Und mit der Bearbeitung des Anlagevorschlags lassen sich die Schwaben von Pictet ordentlich Zeit. Vier Wochen gehen ins Land, bevor wir die Ausarbeitung in unserem Briefkasten finden.

Der Anlagevorschlag aus der Sicht des Kunden

Der Anlagevorschlag ist schlicht in der Argumentation und kompakt im Umfang. Ein Renditeziel nach Kosten, Steuern und Inflation wird nicht hergeleitet. Wir müssen uns bis zum eigentlichen Anlagevorschlag durch einen längeren Vorspann blättern, der im Detail den Auswahlprozess der Aktien und den Investmentprozess darstellt. Aus der Sicht des Laien schwer zu beurteilen. Finden wir uns hier wirklich wieder? Das All-in-Fee-Honorar beträgt 1,43 % inkl. MwSt jährlich. Damit ist das Paket hochpreisig. Die weitere Bewertung überlassen wir dem Profi. Pictet ist für die Auswertung der Vermögensstrategie sowie Portfolioqualität qualifiziert.

HINWEIS: Dieses Bankenporträt beruht auf den Eindrücken aus einem individuellen Erstberatungsgespräch, das ein zuvor geschulter Testkunde durchgeführt hat. Die wiedergegebenen Eindrücke wurden während des Gesprächs oder unmittelbar danach schriftlich protokolliert. Subjektive Wahrnehmungen lassen sich nicht ausschließen. Der Testkunde hat sich zur Neutralität gegenüber dem getesteten Institut verpflichtet. Die Bewertung wurde nach einem festen Schema vorgenommen, das die Private Banking Prüfinstanz erstellt hat. Es beruht auf der jahrelangen – wissenschaftlich untermauerten – Beschäftigung mit dem Thema Beratungsqualität im Private Banking durch die Private Banking Prüfinstanz, Dr. Richter | IQF und Ralf Vielhaber | Verlag FUCHSBRIEFE.