Julius Bär in München: Wissen, was wichtig ist
Dass Julius Bär Private Banking verstanden hat, wird schon mit dem ersten Satz auf der Homepage deutlich: „Was ist Ihnen wichtig?“ Genau darum geht es: Die wesentlichen Kundenziele zu erfassen und ein ganzheitliches Verständnis vom Kunden und seiner Situation zu entwickeln. Der Münchner Niederlassung gelingt das.
Schon im Vorgespräch erfasst der Berater, was den Kunden bewegt. Dessen Situation stellt sich wie folgt dar:
Kundensituation und -anforderungen
- 3,5 Mio. Euro Anlagevolumen
- Ruhestand
- Ausreichend versorgt
- Besorgt über Situation nach Corona
- Eklatante Neuverschuldung weltweit, Staaten wie auch Unternehmen. Kann das gutgehen?
- Zinspolitik bestraft Sparer. Reiche werden immer reicher, Mittelstand fühlt sich abgehängt, Arme haben keine Chance; sind Unruhen zu erwarten ?
- Inflation im Anmarsch. Die Staaten sind hoch verschuldet. Zinserhöhungen würde die Haushalte schwer belasten. Ist das Risiko von Staatsbankrotten in der Eurozone wirklich auszuschließen?
- Wäre eine Währungsreform möglich? Und wie geht man damit um, wie schütz man rechtzeitig sein Vermögen?
- Gilt die 10 Jahres-Perspektive bei der Anlage noch? Oder müssen wir nicht kürzer denken?
- Der Kunde wünscht in den nächsten 5 Jahren keinen (realen) Wertverlust und eine Brandmauer um sein Vermögen
- Er möchte weltweite Diversifikation
- Und ein möglichst nachhaltig aufgestelltes Portfolio
Beratung im Video-Call
Nach einem effizienten Telefonat schlägt der Berater einen „Video-Call“ vor – die angemessene Art einer Kundenberatung in Corona-Zeiten. Dort sitzt der Kunde einem sympathischen Berater gegenüber, der es versteht, das Gespräch optimal zu gestalten. Er beginnt mit lockerem Small Talk, gerade im richtigen Maß, hört konzentriert zu, fragt nach, erläutert, entwirft ein erstes Konzept.
Schon früh wird das Interesse am Kunden erkennbar: Der Berater lässt durchblicken, dass er die Homepage des Golfclubs gelesen habe, fragt dazu ein wenig nach. So öffnet er den Kunden durch ein Gespräch über ein angenehmes Thema und es wird auch sogleich persönlich. Es ist der Auftakt zu weiteren Nachfragen zur privaten Situation des Kunden, der sich immer wertgeschätzt und nie ausgefragt fühlt. Dabei erzählt der Berater auch von sich, seiner privaten Wohnsituation, seinem Werdegang, seiner privaten Lebenssituation und baut so gegenseitiges Vertrauen auf.
Sorgfältige, vertiefte Beschäftigung mit der Kundensituation
Dabei nimmt er die Sorgen des Kunden sorgfältig auf und setzt sich damit auseinander. Seine Botschaft (im März 2021): Die Bank sehe die Situation noch entspannt. Das Aktienmarktumfeld sei weiterhin positiv, denn 1. Die Zinsen dürfen gar nicht steigen, um die Staatshaushalte nicht zu überlasten und 2. Die Märkte würden weiter mit Geld geflutet. Perspektivisch hätten viele Kunden Beratungsbedarf und man biete als Bank regelmäßige Online-Infoveranstaltungen an, um die eigene Sicht der Dinge aufzuzeigen.
In Risikosituationen verspricht der Berater schnelle Reaktionen des Asset Managements, wenn nötig. Im Anlagevorschlag wolle man das Vermögen so aufteilen, dass durch Diversifikation über Regionen und Anlageklassen das Verlustrisiko möglichst reduziert werde. Die Aufstellung wolle er regelmäßig zusammen mit dem Kunden überprüfen. Auch regt er Gewinnmitnahmen bei Immobilien und sonstigem Vermögen an.
Nachhaltigkeit: Noch nicht spitze
Nicht ganz so ausführlich ist die Beratung zur nachhaltigen Portfoliogestaltung. Hier ist das Haus offenbar noch nicht so weit wie mancher Konkurrent. Man habe vor zwei Jahren einen Portfoliomanager eingestellt, der sich seit langem mit ESG-Portfolien befasst. Dessen Handschrift sei inzwischen schon deutlich zu erkennen … Und da der Berater das Thema noch nicht so tief durchdrungen hat, kommt das Angebot: „Was halten Sie davon, wenn wir einen Termin mit dem Nachhaltigkeits-Manager vereinbaren?“ Klasse!
Das ganze Gespräch folgt einer klaren Struktur. Der Berater ist stets verbindlich und verlässlich, hält seine Ankündigungen ein. Der Kunden erhält – das wird leider immer seltener in der Branche – ein Gesprächsprotokoll, das wiedergibt, wie der Berater ihn verstanden hat und ist somit Grundlage für die Erarbeitung des Anlagevorschlages. So sollte es sein! Hier werden Missverständnisse im Vorhinein vermieden und schleichen sich nicht ins Anlagekonzept ein. Fragen, die der Kunde stellt, werden sofort aufgenommen und aus Kundensicht kompetent beantwortet. Wo das einmal nicht der Fall ist, will der Berater Erkundigungen bei den Fachleuten im Haus einziehen und nachliefern. Ehrlich und professionell!
Kosten sind angemessen
Zum Abschluss überzeugt den Kunden noch der Satz: „Sagen Sie mir nun noch bitte, ob es irgendwelche Punkte gibt, die ich nicht angesprochen habe.“ Nein.
Anlagevorschlag ist zunächst nur eine Skizze
Der Anlagevorschlag ist – und das ist angekündigt – zunächst eine Konzeptskizze. Global Excellence, Die weltweit besten Unternehmen in einem Portfolio, bietet Bär dem Kunden an. Dieser ist mit der Zielrichtung einverstanden, hält sie für passend und nimmt Julius Bär auf seine Auswahlliste. Er wünscht ein Abschlussgespräch mit einer Erläuterung des Anlagekonzepts mit den Fachleuten der FUCHS|RICHTER PRÜFINSTANZ.
Zusammenfassung
Ja, das ist wieder die Julius Bär, wie wir sie schon in den Nullerjahren erlebt hatten: Ganzheitlich ausgerichtet mit hoch professioneller Gesprächsführung, erstklassigem Kundenverständnis, hoher Effizienz, guter Dokumentation, persönlicher, emphatischer Betreuung.
Nein, das ist nicht die Julius Bär wie wir sie von früher kennen. Während sich die deutsche Tochter zunächst freudig entscheidet, im persönlichen Gespräch (Beauty Contest) das Konzept vorzustellen und professionellen Nachfragen Rede und Antwort zu stehen, pfeift die Schweizer Mutter sie zurück. Die Begründung dafür wird nicht wirklich ersichtlich. Da stellen sich dann doch Fragen. Wie selbständig ist eigentlich Julius Bär Deutschland? Und wie soll man die Praxis bewerten, dass man sich zwischen zwei selbständigen Rechtseinheiten in der Schweiz und Deutschland über konkrete Kunden austauscht?
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Kontakt
Bank Julius Bär Deutschland AG
Brienner Straße 1, 80333 München, Germany
P.O. Box 10 03 52, 80077 München, Germany
Telefon +49 (89) 444455-340, Fax +49 (89) 444455-399
Zusatzinfos:
- keine (Bank hat redaktionellen Fragenkatalog nicht beantwortet)
- Teilnahme am Performanceprojekt der FUCHS|RICHTER PRÜFINSTANZ: nein
Fazit: Wir sind bullish für die Bären … Julius Bär Europe zeigt in der Münchner Niederlassung, dass die Bank „ordentlich was draufhat“. Das Haus scheint nun auch in Deutschland nach einer längeren Durststrecke auf einem hohen Beratungslevel angekommen zu sein. Der Anlagevorschlag ist sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Bank verstand ihn aber auch als ersten Aufschlag. Die Teilnahme an der Endauswahl hätte hier dem Kunden Sicherheit bringen können.
Dass das Mutterhaus der deutschen Tochter die Präsentation vor Fachleuten nicht erlaubt, ist der Schmutzfleck auf der ansonsten weißen Beratungs-Weste. Befürchtet man, dass das schöne Bild noch Kratzer bekommen könnte? „Wissen, was wichtig ist“: Die Bären sollten sich ihr Motto noch einmal ins Gedächtnis rufen.