Lauter Überraschungen
Der Kunde und sein Anliegen
Die Testkunden der Private Banking Prüfinstanz sind vermögend und Multimillionäre. Aber sie bringen zunächst nur eine halbe Million zur Anlage mit. Ihr persönlicher Hintergrund ist sehr unterschiedlich. Gemein ist ihnen jedoch, dass sie für ein jüngeres Familienmitglied in der nächsten Generation mal Sohn oder Tochter, mal Nichte oder Neffe die Zukunft finanziell absichern wollen. Hier geht es zur ausführlichen Schilderung des Testfalls.Das Beratungserlebnis
Wir rufen an bei der Landesbank Niederösterreich und landen in der Warteschleife. Geschlagene fast sieben Minuten geschieht erst mal nichts. Es dudelt uns nur der Warte-Text entgegen: "Guten Tag bei der Beraterbank - Gute Beratung braucht manchmal ein wenig Zeit". Noch ein Versuch (den wohl ein weniger geduldiger Kunde gar nicht erst unternommen hätte). Jetzt landen wir beim Kundenservice. Dieser scheint die Anrufe Ansprechpartnern im Hause zuzuweisen. Wir werden der Private Banking-Abteilung Landstraße zugeteilt, der Anruf eines Beraters avisiert. Dieser meldet sich wenige Augenblick später, bedankt sich für die Kontaktaufnahme. Ob wir bereits Kunde seien und wie wir an sie gekommen sind? Wir erläutern unser Anliegen. Das sei möglich, erwidert er. Die Raiffeisen Landesbank Niederösterreich biete „Veranlagungen“, so der österreichische Sprachgebrauch, auch über das Normale hinaus (wir sind glücklicherweise normal veranlagt). Gerne wäre ein Treffen möglich und man könne im Gespräch klären, wie eine vorteilhafte Lösung zu finden sei. Er könne uns gerne eine Wegbeschreibung senden. Dann gibt er sie telefonisch. Sei nicht schwer zu finden. Wien Mitte U4, Landstraße 2a/2b im Shopping Centre Thalia Village im 1. Stock. Wir vereinbaren den Termin. Wir erreichen die Zentrale Wien-Mitte – eine Filialbank mit separater Beratungsabteilung. Wir gehen in den 1. Stock und finden uns in einem Großraumbüro wieder. Unser Berater hat dort eine Büroecke, abgedeckt mit einem Wandschirm. Wir sitzen auf einem Bürostuhl seitlich am Schreibtisch des Beraters, auf dem sich das "Daily Business" stapelt. Sehr charmant begrüßt er uns, bietet Erfrischungsgetränke und einen Wiener Café an. Passt. Wir besprechen nochmal kurz unser Anliegen, zu dem sich der Berater Notizen gemacht hatte, dann geht er mit uns zunächst in die privaten Details. Er selbst bezeichnet sich als Vermögensverwalter, Anlageberater für wohlhabendere Kunden mit Zertifikat als Finanzplaner. Er verfüge über Auslandserfahrung und war u.a. in Dubai. Er hinterfragt die familiäre Situation, ob wir verheiratet sind, seit wann wir mit unseren Partnerin zusammen leben, nach Alter des Kindes, der Unterhaltsituation, dem Steuerstatus. Auch möchte er die Vermögensverhältnisse und den Betrag, den wir einsetzen könnten, wissen. Mittelnachweise müssten später erbracht werden. Alles ohne Druck, in angenehmer Weise, in einem schon beinahe freundschaftlichen Tonfall. Zu unserem Anlagewunsch habe er einige Lösungsvorschläge, die sich als erfolgreich erwiesen hätten - auch wenn die Filiale Landstraße selbst kein "Private Banking" biete. Den kompletten PB-Service könne er aus zeitlichen Gründen zwar nicht erbringen – das bedeute, sich nur um ein Mandat zu kümmern (gibt es das?) und täglich in die Fondsentwicklung zu schauen - aber er stehe im Kontakt mit der Private Banking-Abteilung und käme an alle Anlageformen und Informationen heran, die diese auch anbieten würden und könne deren Expertise nutzen. Wenn nötig stünden die Kollegen telefonisch auch immer für Fragen und Wünsche zur Verfügung. Das Depot sei „transparent“ und wir könnten über Onlinezugang die Entwicklung selbst verfolgen. Außerdem würden wir uns – interessant – mit einem klassischen Vermögensverwaltungsmandat finanziell schlechter stellen. Sein Vorschlag, mit dem einige seiner Kunden mit ähnlichem Vermögen gut fahren würden, seien Fonds mit einer "Privat Banking ähnlichen Struktur", also gemanagte Fonds. Er hat bereits eine Auswahl zusammengestellt, deren Wertentwicklung und Zusammensetzung er uns am PC präsentiert. Zwei Raiffeisen-Fonds konservativ und ertragsorientiert sind dabei, Carmignac und Flossbach von Storch. Insbesondere die letzten beiden wären global zusammen gesetzt und hätten gute Renditen erwirtschaftet bei recht geringem Verlustrisiko. Das belegt er anhand von historischen Zahlen. Flossbach hat es ihm angetan – 0-100% Aktien sind in dem Fonds möglich, auch Rohstoffe. Carmignac hat eine Quote von maximal 50% Aktien. Unsere Frage, was wir denn mit Sparplan zuzahlen müssten, kann er uns bei Flossbach direkt beantworten. "Nichts". Wir brauchten ca. 12,5% um die eine Million zu erreichen, Flossbach von Storch Multiple Opportunities II R bringe mehr, nehmen wir aus dem Gespräch mit. Natürlich sei es aus Risikoerwägungen sinnvoll, mehrere Fonds zusammenzustellen – er würde uns Varianten mit monatlicher Zuzahlung ausrechnen. Für unser Anliegen würde so etwas ausreichen und wir könnten gegenüber einer Vermögensverwaltung erhebliche Gebühren sparen. Flossbach erhebt 0,540% Gebühr für den Fonds und die Bank für die Sammelverwahrung 0,216% - auf beide Positionen gibt er ab 364.000 Euro Vermögensvolumen einen Rabatt von 50% - insofern liege man bei etwas unter 0,38%, notieren wir. Transaktionsgebühren müsse er mit der Filiale verhandeln, da müsse aber auch noch etwas möglich sein. Interessant sind auch seine Ausführungen, uns ein Mitspracherecht aufs Vermögen zu sichern. Hier empfiehlt er das Depot als "Und"-Depot zu führen, wobei beide Zeichnungsberechtigte vor Auszahlung unterzeichnen müssten. Generell sei es aber in Österreich wegen der gesetzlichen Bestimmungen schwieriger, ein Konto für Minderjährige zu eröffnen. Er fragt außerdem unseren Steuerstatus ab und wir sprechen über die Schenkungssteuer, die möglicherweise auch wieder nach Österreich käme. Hier müssten wir Lösungen mit unserem Steuerberater erarbeiten. Wir vereinbaren, dass er uns eine Kalkulation zusenden würde. Er gibt uns die Unterlagen zu den vorgeschlagenen Fonds mit – andere wären natürlich auch möglich – sowie die Gebührenliste. Protokoll des Zweitgesprächs vom 30.6.2015 von 16.30 - 18.00 Uhr In einem Zweitgespräch besprechen wir die Fondszusammensetzung. Die Bank hat errechnet, dass bei einer veranschlagten Rendite von 4% ein Restbetrag zur Zuzahlung von 2.500 Euro pro Monat verbliebe. Das mag sein – wenn wir keine Schenkungsteuer zu zahlen haben und somit keine höhere Endsumme nötig wird, um die gewünschte Million dem Kind zur Verfügung zu stellen. Doch dazu erfahren wir leider nichts. Der Berater hat im Erstgespräch bereits fünf Fonds vorgestellt und ergänzt nun mit einem neu aufgelegten Fonds, dem Raiffeisen-Dynamic Assets. Vorsichtig kalkuliert, geht er von 3% Rendite aus. Diese sechs Fonds hatten eine gute Performance und brachten durchschnittlich mehr Ertrag als die benötigten 4%. In diese sollten die 500.000 Euro investiert werden. Zur zusätzlichen Absicherung hat er acht weitere Fonds und Anleihen zusammengestellt – von ihm als "Satelliten" bezeichnet. Diese sind so gestreut, dass Schwankungen an den internationalen Kapitalmärkten aufgefangen werden könnten. Europa, Global, Emerging Markets, sowie konservative, als auch spekulative Produkte sind darin enthalten. Diese Fondsanteile sollen von dem monatlich zur Zuzahlung bereitstehenden Betrag von 2.500 Euro gekauft werden. Bei der Auswahl könne man flexibel sein und z.B. in den letzten 2-3 Ansparjahren nur risikoärmere Titel kaufen. Insgesamt geht der Berater davon aus, dass das Anlageziel von 1 Mio. Euro übertroffen werden kann. Die Fondsauswahl und alle Fonds begründet er uns, damit die Entscheidung für die nachvollziehbar ist. Erst jetzt füllen wir gemeinsam ein Anlegerprofil aus, bevor wir die vorbereiteten und ausgedruckten Fonds und eine Kopie des Beratungsprotokolls erhalten. Das sei leider Pflicht, auch wenn wir uns anders entscheiden würden. Der Berater fragt nach, ob wir sogleich ein Konto eröffnen möchten. Wir bitten um etwas Geduld. Es gebe noch andere Angebote und ich müsste zuerst vergleichen. Das versteht er. Thematisiert wird auch die Kommunikation. Wichtig sei, sich mindestens einmal jährlich zu treffen und bei Bedarf zu telefonieren. Es folgte eine aufrichtig freundliche Verabschiedung. Wir bedanken mich, dass der Termin möglich war – dieser war außerhalb der Schalterzeiten – und er geleitet uns zur Tür.Fazit: Eine Beratung, die aus dem Rahmen fällt. Die Raiffeisen Niederösterreich lässt uns am Telefon zappeln, lotst uns am Private Banking vorbei und dennoch zu einem Berater, der sein Handwerk versteht, der fachlich und menschlich eine Private Banking-Vorstellung gibt. Seine Vorschläge sind schlicht, aber er setzt sich mit unserem Anliegen vertieft auseinander – ein freundlicher, ruhiger, bodenständiger und praxisnaher Berater, der eine kostenbewusste Lösung gewählt zu haben scheint. Die steuerlichen Aspekte der Beratung lässt er aus, das ist ein Manko. Alles in allem ein Grenzfall, doch der Vorschlag zur Anlage scheint auf den ersten Blick ebenso plausibel wie kostengünstig. Das macht Lust auf mehr, auf einen vertieften fachlichen Einblick in den Anlagevorschlag. Unsere Qualifizierungsampel schaltet daher – etwas zögerlich – auf Grün.
Hinweis: Die erreichte Gesamtpunktezahl sowie den Vergleich mit rund 100 weiteren Anbietern lesen Sie im November im FUCHS-Report „TOPs 2016“.
Fakten: keine Angaben
Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien AG
Kundenzentrum Wien Mitte
Stadtdirektion Privatkunden
Landstraße Hauptstraße 2a-b, A-1030 Wien
www.raiffeisenbank.at
Hinweis: Dieses Bankenporträt beruht auf den Eindrücken aus einem individuellen Erstberatungsgespräch, das ein zuvor geschulter Testkunde durchgeführt hat. Die wiedergegebenen Eindrücke wurden während des Gesprächs oder unmittelbar danach schriftlich protokolliert. Subjektive Wahrnehmungen lassen sich nicht ausschließen. Der Testkunde hat sich zur Neutralität gegenüber dem getesteten Institut verpflichtet. Die Bewertung wurde nach einem festen Schema vorgenommen, das die Private Banking Prüfinstanz erstellt hat. Es beruht auf der jahrelangen – wissenschaftlich untermauerten – Beschäftigung mit dem Thema Beratungsqualität im Private Banking durch die Private Banking Prüfinstanz, Dr. Richter | IQF und Ralf Vielhaber | Verlag FUCHSBRIEFE.