Sag Nein!
Das wertvolle Thema Nachhaltigkeit im Private Banking kommt unter die Räder der Regulation. Seitdem die Transparenzrichtlinie und die Offenlegungsrichtlinie der EU gelten und Berater seit August 2022 Kunden nach deren Wunsch, nachhaltig anzulegen, befragen müssen, zeichnet sich deutlich ab, wohin die Reise geht: Hin zu einer Beratung mit dem kleinen Karo, die vor allem darauf bedacht ist, Berater und Institute aus dem Feuer zu nehmen und ihnen juristische Probleme vom Hals zu halten. Das zumindest ist der unterschwellige Tenor der auf den Markt gekommenen Leitfäden für Berater, die in Deutschland das DIN, in Österreich die Wirtschaftskammer und in der Schweiz der Lobbyverein Swiss Sustainable Finance und das Beratungsunternehmen EY herausgegeben haben.
Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet
Wie so oft zeigt sich, dass die Politik auch in Sachen Nachhaltigkeit per Regulation das Kind mit dem Bade ausschüttet. Die DNA des Private Banking, die Individualität, wird durch viel zu viele Vorgaben zerrüttet. Geboten wäre, das Wertesystem des Kunden in den Vordergrund zu stellen, nicht irgendwelche von politischen Erwägungen getriebene staatliche Vorgaben, was als nachhaltig zu gelten hat und was nicht. Doch genau das geschieht nicht; der Kunde ist nur eine Randerscheinung im Prozess. Dabei ist es sein Geld, das angelegt wird.
Wie hat es doch jüngst in einem Radiobeitrag der Vertreter einer Verbraucherschutzorganisation formuliert: Wer wird denn schon auf die Frage, ob er nachhaltig anlegen wolle, nein sagen und sich als „Umweltsünder“ outen? Nur wenige. Das also ist die Annahme der Politik. Der soziale Gruppendruck reicht. Auf das Individuum mit seinen Wertevorstellungen ist gepfiffen.
Der Unbedarfte im Fokus
DIN und Wirtschaftskammer kümmern sich mit ihren vor allem um einen Basis Katalog an Fragen für Newcomer beim Thema Nachhaltigkeit. Die Fragenkataloge sind Schritt-für-Schritt-Anleitungen für reichlich unerfahrene Berater und ebenso unbedarfte Kunden beim Thema Nachhaltigkeit. Die Struktur des schweizerischen Leitfadens ist im Grundsatz die gleiche, nur ist das Abstraktionsniveau höher. Zudem stellen EY und Swiss immer wieder das Thema Greenwashing und die damit einhergehenden Risiken für Berater und Institut heraus. Durchaus zu Recht, wenn man sich die Trends der Rechtsetzung und Rechtsprechung ansieht.
Denn aus der Sicht von Behörden und Klägern besteht das Risiko, dass die von Anbietern publizierten Informationen bezüglich ihrer ESG-Konformität von den tatsächlichen Umständen (deutlich) abweichen. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC hatte schon im März letzten Jahres eine eigene Stoßtruppe (Task Force) „Klima und ESG“ gebildet. Die SEC will Greenwashing zu einer ihrer Prioritäten machen. Und wer die SEC kennt, weiß, dass sie es dann auch ernst meint.
Unwohlsein bei Beratern
Bei vielen Vermögensverwaltern herrscht vor diesem Hintergrund großes Unwohlsein. Man hat noch sehr gut in Erinnerung, wie Berater etwa beim Vertrieb von Zertifikaten und geschlossenen Beteiligungen Bauchlandungen erlebten, weil sie ihre Kunden nicht hinreichend über die Risiken aufgeklärt hatten (Totalverlustmöglichkeit) und der Vertriebserfolg und das schnelle Geld im Vordergrund standen.
Offizielles Bekenntnis zu Nachhaltigkeit, aber …
Bei nachhaltigen Produkten ist die Lage um ein Vielfaches komplexer. Somit gehen die Berater auf glattes Parkett, wenn sie zu Nachhaltigkeit beraten. Nur wenige Institute haben ihre Berater schon auf ein Niveau gebracht, dass sie dem Thema souverän gewachsen sind. Das zeigt das Rating Nachhaltigkeit im Private Banking der FUCHS|RICHTER Prüfinstanz. Ein erstes Ranking zum Qualitätsniveau «Nachhaltigkeit im Private Banking» der FUCHS | RICHTER Prüfinstanz erscheint am 25.8.2022.
Einige Häuser bekennen sich zwar zur Nachhaltigkeits-Beratung. Sie investieren stark in das Thema. Doch das ist gemessen am Gesamtmarkt nur eine Minderheit. Der Großteil der Institute geht das Thema nur mit halber Kraft an – und sieht zunehmend, wie riskant es ist.
Besser ein Nein provozieren?
Das Ergebnis: Etliche Anbieter suchen (intern) nach Wegen, wie ihre Berater die Kunden zu einem Nein bewegen können. Wer es darauf anlegt, sorgt schnell dafür, dass der Kunde vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sieht und sich im Nachhaltigkeitsdschungel verirrt. Wenn er auch noch erfährt, dass es für seine Nachhaltigkeitswünsche kaum passende Produkte gibt, die dem grünen Reinheitsgebot entsprechen und dass ein allzu enger Produktepool die finanziellen Risiken des Portfolios erhöht – tja, überlegt er sich die Sache mit der Nachhaltigkeit dann nicht noch mal?
Fazit: Spätestens der Hinweis auf die teilweise sehr unterschiedlichen Einschätzungen der einschlägigen Rating-Agenturen, auf die sich das Gros der Berater verlässt (verlassen muss), dürfte manchen Kunden dazu bewegen, erst noch mal abzuwarten mit seinem Ja auf die Frage, ob er denn wirklich nachhaltig anlegen will.
Hinweis: Das Rating «Nachhaltigkeit im Private Banking» der FUCHS | RICHTER Prüfinstanz wurde auf Basis einer Frageboge-Umfrage und diverser Markttest erstellt, die geschulte Tester durchgeführt haben. Das Rating bewertet insbesondere die Berücksichtigung und Umsetzung von Nachhaltigkeit im Gesamtunternehmen, die Mitarbeiterschulung, die Berücksichtigung und Umsetzung in der Kundenberatung sowie die Akzeptanz des individuellen Wertesystems des Kunden im Beratungsgespräch und Portfolio.