Segmentierung und Individualisierung voraus
Die Differenzierung der Antriebstechnologien wird zu einer starken Segmentierung der Luftfahrt und völlig neuen Beförderungsangeboten von neuen Marktteilnehmern führen. Diese Einschätzung hören wir von einem Vertriebs-Experten von Rolls Royce in Berlin. Das Unternehmen fertigt in der Hauptstadt vor allem Triebwerke für Flugzeuge.
Die bisher gültige Segmentierung in drei Klassen wird sich auflösen. Neben die klassischen Kurz-, Mittel- und Langstreckenjets werden neue Segmente treten. Ausgelöst wird diese Entwicklung durch die neu verfügbaren Antriebstechniken. So wird es künftig rein elektrisch angetriebene Fluggeräte geben. Daneben werden Wasserstoff-Flugzeuge unterwegs sein und auch weiterhin Luftfahrzeuge, die mit Kerosin oder E-Fuels betrieben werden.
Von autonomen Drohnen...
Die Bandbreite beginnt den Projektionen nach künftig bei kleinen und autonom fliegenden Drohnen für 1 bis 3 Personen. Darüber werden noch Drohnen für drei bis 10 Personen angesiedelt sein. Beide Segmente werden rein auf E-Motoren setzen. Diese Drohnen werden vorzugsweise in Städten unterwegs sein und voraussichtlich die privaten Helikopter verdrängen (z. B. Quadrocopter in Dubai). Die sind wegen der deutlich aufwändigeren Technik zu teuer, insbesondere in der Wartung. Künftig dürften sie vielfach auch wegen ihrer Verbrennungsmotoren zu laut sein.
Neben diesem Segment werden autonom fliegende Drohnen künftig vermehrt für Lieferungen eingesetzt werden. Hier gibt es schon einige Pionier-Unternehmen, die insbesondere mit Lieferungen (z. B. von Medikamenten) in unwegsamen Regionen experimentieren (z. B. in Afrika). Zudem wird der Einsatz von Drohnen zur Überwachung (z. B. technischer Anlagen) massiv zunehmen. Solche Fluggeräte werden rein elektrisch oder auch mit kleinen Brennstoffzellen betrieben.
… bis zu klassischen Kerosin-Jets
Auch bei den klassischen Flugzeugen wird eine starke Differenzierung erwartet. So geht Rolls Royce davon aus, dass es auch weiterhin Kurzstreckenflüge geben wird. Hier könnte das Verbindungsnetz sogar noch viel dichter werden. Allerdings werden die Jets kleiner (bis 50 Passagiere) und ebenfalls rein elektrisch unterwegs sein. Das ist angesichts von überschaubaren Reichweiten bis 1.500 km und geringen Gepäckanforderungen technisch und wirtschaftlich sinnvoll leistbar.
Auf der Mittelstrecke dürfte sich das bisherige Kerosin einen Technik-Wettlauf mit Wasserstoff und elektrischem Strom leisten. Welcher Kraftstoff und welche Technik hier das Rennen macht, ist noch ungewiss. Absehbar ist: Kerosin muss im Laufe der Zeit „grün“ werden, und Wasserstoff löst absehbar am besten den Zielkonflikt aus Reichweite und Gewicht. Airbus hat dazu schon drei Wasserstoff-Modelle in der Entwicklung.
Wasserstoff als neuer Treibstoff
Auf Langstrecken werden weiterhin die größten Flugzeuge eingesetzt. Hier haben E-Motoren aufgrund des Batteriegewichts keine Chance. Solche Strecken bleiben „Verbrennern“ vorbehalten. Allerdings könnte es gut sein, dass auf solchen Routen auch Wasserstoff-Verbrenner (Stichwort Deutz) eingesetzt werden.
Fazit: Der Luftfahrtmarkt wird sich breit ausdifferenzieren, ähnlich wie bei den Autos. Es wird sehr viele Flugzeug-Modelle mit diversen Antrieben geben. Die werden z. T. von neuen Herstellern kommen (z. B. EHang, Volocopter, Lilium), die mit klassischen Lieferanten kooperieren. Außerdem wird es neue Anbieter neben den bisherigen Airlines geben (z. B. innerstädtisch). Insgesamt werden das Angebot und die Logistik-, aber auch Geschäftsmöglichkeiten auf dem Luftfahrtmarkt damit größer.