Ein namhafter Unternehmer erzählte uns vor kurzem von einer Geschäftsidee im Kunstmarkt. Er will gezielt Künstlernachlässe kaufen und diese verwerten. Das, so die Überlegung, dürfte ordentliche Gewinne bringen.
Die Idee ist charmant und lukrativ. Sie erfordert allerdings eine differenzierte Analyse und ist nicht ganz leicht umzusetzen. Zunächst stehen mit dem Tod eines Künstlers die Erben vor vier grundlegenden Fragen:
Welchen Umfang hat der künstlerische Nachlass?
Wieviel ist das künstlerische Oeuvre wert?
Wer kümmert sich sachgerecht um den Nachlass?
Was passiert mit dem Nachlass in der Zukunft?
Allein die Ermittlung des Nachlassumfangs ist häufig aufwendig. Die Arbeiten befinden sich in Galerien, Museen oder sind verliehen. Künstler sind in der Regel keine Buchhalter. Nur in seltenen Fällen führen sie zu Lebzeiten Werkverzeichnisse bzw. Register ihrer Arbeiten. Das erschwert eine Bestandsaufnahme.
Die Frage einer preislichen Bestimmung ist äußerst komplex. Zumeist sind die im Rahmen der erbschaftssteuerlichen Bewertung ermittelten Größen schwer nachvollziehbar. Insbesondere hinsichtlich des Unterschieds zwischen dem ideellen Wert und einem möglichen Sachwert haben die Erben und potenzielle Käufer eines Nachlasses regelmäßig Auffassungsunterschiede.
Je bekannter und renommierter ein Künstler ist, umso leichter dürfte eine Wertbestimmung sein. Aber gerade in solchen Fällen ist die Veräußerung eines Nachlasses durch Erben eher nicht zu erwarten. Die Erben wissen in der Regel vom Wert des Erbes und wollen ihn selber heben.
Wer Künstlernachlässe kaufen möchte, wird auf weniger bekannte Namen setzen müssen. Allein dadurch steigt das Risiko. Denn Wert eines Nachlasses hängt wesentlich vom Bekanntheitsgrad und der Marktpräsenz der Werke des Verstorbenen ab. Die Preisvorstellungen der Abgeber kommen dazu.
Der Erwerb eines Künstlernachlasses ist außerdem mit einigen Kosten verbunden. Zu den einfach zu kalkulierenden Faktoren zählen die sachgerechte Unterbringung und die Verwahrung der Kunstobjekte: Miete für Lagerraum, klimatisch geeignete Lagerung und Versicherung seien als Stichworte benannt. Die Erstellung einer Dokumentation bzw. eines Werkverzeichnisses erfordert dagegen schon erhebliche personelle und fachliche Ressourcen. Gerade die Zuordnung von künstlerischer Technik, Entstehungszeit und thematischer Einordnung geht oftmals nur mit Unterstützung von Fachleuten. Das kostet viel Geld und Zeit.
Die Verwertung eines Nachlasses gelingt nur mit einem kompetenten Zugang zum Kunstmarkt. Das Management eines Künstlernachlasses umfasst deshalb auch eine Reihe von Maßnahmen, um die öffentliche Präsenz des verstorbenen Künstlers über dessen Tod hinaus am Leben zu halten. Im Gegensatz zu normalen Menschen können Künstler zwei Mal sterben – einmal physisch und einmal durch Vergessen. Das richtige Management ist entscheidend und in der Regel durch Erben nicht leistbar.
In diese Marktlücke stoßen zunehmend Auktionshäuser und Großgaleristen. Sie bewirtschaften einen erfolgversprechenden Nachlass sinnvoll, organisieren Ausstellungen, initiieren Publikationen etc. Manche Marktteilnehmer bedienen sich extra gegründeter Gesellschaften (z.B. Van Ham Art Estate) für ein solches Geschäftsmodell.
Fazit: Künstlernachlässe als Kapitalanlage sind nur etwas für Profis. Darum sollten interessierte Anleger die Dienstleistungen der Experten nutzen, die sich bereits erfolgreich auf die Nachlassverwertung spezialisiert und im Markt platzierter haben.