Wirtschaft: Nach Erdogan wird’s schwierig
Die aktuelle Verbesserung der Wirtschaftslage in der Türkei verdeckt die massiven strukturellen Probleme. Nach Erdogan werden sie kritisch.
In der Türkei verbessern sich aktuell die wirtschaftlichen Daten. Das Land hat im 1. Quartal mit 5% Wachstum sein früheres Expansionsniveau wieder erreicht. Staatliche Investitionen und der Export stimulierten. Der Tourismus erholt sich langsam.
Doch der Schein trügt. Währungstechnisch ist die Lage des Landes ungemütlich. Die Lira hat binnen zehn Jahren 56% an Wert verloren. Das Land ist im Ausland mit umgerechnet 348 Mrd. Euro verschuldet. Die eigenen Währungsreserven betragen nur 90 Mrd. Euro. Ohne stete Auslandsfinanzierung schwinden sie rasch. Dafür müssen die einstigen Touristenzahlen wiederkehren. Und die Türken im Ausland müssen ihre Überweisungen in die Heimat fortsetzen. Beides ist unwahrscheinlich.
Firmenpleiten verhindert der Staat nur durch ein großzügiges?Kreditabsicherungsprogramm.?Der Kreditgarantiefonds KGF sichert an die Betriebe vergebene Bankkredite ab. Allein hierüber wurden laut Germany Trade&Invest in den ersten vier Monaten 2017 für zusätzliche Kredite an 234.000 Betriebe rund 160 Mrd. TL (39,4 Mrd. Euro) bereitgestellt. Direkte Preis- und Zinssubventionen sollen die Konjunktur in Schwung zu bringen. Doch die Industrieproduktion schrumpft.
Die Türkei kann sich noch einige Zeit über Wasser halten. Der Schuldenstand des Landes ist mit 30% vom BIP nicht besorgniserregend. Allerdings sank der Bestand an ausländischen Direktinvestitionen zwischen 2014 und 2016 um umgerechnet 40 Mrd. Euro auf 115 Mrd. Euro ab. Zudem zeigen die Beispiele Zypern und Irland, wie schnell ein Schuldenstand explodieren kann. Zypern, das ebenfalls am Tourismus hängt, kam innerhalb von drei Jahren von 55,8% Schuldenstand auf 102,2%.
Ob der EU-Tourismus und die Auslandsinvestitionen in die Türkei zurückkehren, hängt von der Sicherheitslage ab. Die EU wird Ankara politisch nicht fallen lassen. Doch Erdogan hat sich viele Feinde gemacht: voran die Kurden mit denen sich die Türkei wieder im offenen Bürgerkrieg befindet; dazu die Laizisten und Teile des Militärs sowie Hunderttausende infolge des Putschversuchs entlassene Staatsbedienstete. Und nicht zuletzt die als Terroristen verfolgten Gülen-Anhänger.
Selbst, wenn die wirtschaftliche Lage den Präsidenten in einigen Jahren zum Rücktritt zwingen sollte, bleibt die Türkei ein Unruheherd. Das System ist inzwischen auf eine Person zugeschnitten. Nach Erdogan kommt der Machtkampf der Epigonen. An die Stelle natürlicher Autorität dürfte dann schnell offene Gewalt treten. Die Opposition wird sich wieder hervorwagen. Wirtschaftliche und politische Stabilität sind auf längere Sicht nicht zu erwarten
Fazit: Investitionen müssen Hermes-abgesichert sein und sollten nur da erfolgen, wo sie sich spätestens in fünf, besser in drei Jahren amortisiert haben.