Aktienbörsen nähern sich dem Kipp-Punkt
An den Finanzmärkten wachsen die Spannungen - ausgelöst durch einen Inflations- und Zinsanstieg. Wir hatten bereits am 21.1. an dieser Stelle auf dieses Risiko hingewiesen. Inzwischen verdichten sich die Risikofaktoren. Neue Zugkräfte werden in den aktuellen Inflationsraten für die Eurozone sichtbar.
Die Inflationsraten in der Eurozone sind ein weiteres Warnsignal für die Aktienmärkte. Diese Rate ist steil von -0,3% auf 0,9% angestiegen. Die Kernrate - ohne Energie und Nahrungsmittelpreise - schoss von 0,2% auf 1,4% nach oben. Diese Rate gilt unter Ökonomen als guter Indikator für den langfristigen Inflationstrend. Ähnliche Spannungen sehen wir in den USA. Auch dort zieht die Inflation an, die Zinsen klettern hinterher.
Treiber ist die Kombination aus guter Konjunktur und viel billigem Geld - die USA sind Vorläufer. Im vierten Quartal wuchs die US-Wirtschaft um 4%. Für 2021 wird ein Plus von 4,5% erwartet. Zugleich wachsen die Bargeldbestände der US-Verbraucher und Unternehmen kräftig. Darauf weist Fish Asset Management aus Zürich gerade nochmal hin. Nun will US-Präsident Joe Biden sogar nochmal 1,9 Bio. US-Dollar Konjunkturhilfen zur Verfügung stellen. Kein Wunder, dass die US-Verbraucher äußerst optimistisch in die Zukunft blicken.
Niedrige Zinsen und hohe Bewertungen
Inzwischen mahnen auch andere Stimmen, dass Inflation und Zinsen zu einem Problem für die Aktienmärkte werden. Denn Aktien (mit KGVs von über 30 in den USA) und Immobilien sind enorm hoch bewertet und vielfach maßgeblich durch die jahrelangen Nullzinsen so hoch getrieben. Der Buffett-Indikator, der die Börsenkapitalisierung ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandprodukt) setzt, hat seinen Rekordwert aus dem Jahr 2000 übertroffen. Das zeigt, wie groß die Abkopplung der Börsen von der Realwirtschaft ist. Beispiel Börsengänge: 2020 gab es 480 Börsengänge in den USA, deutlich mehr als im Jahr 2000. Das zeigt, dass die Unternehmen die Kurse als hoch empfinden. Außergewöhnlich groß ist die Gruppe der US-Unternehmen, deren Kurse sich innerhalb der vergangenen 12 Monate verdreifacht haben.
Die Märkte nähern sich dem Kipp-Punkt - und Auslöser wird der Zinsanstieg sein. Kritisch wird es, so die Einschätzung diverser Beobachter, wenn die US-Renditen die Marke von 1,5% überschreiten. Denn die risikolose Realverzinsung ist der wesentliche Maßstab für Investoren. Der entscheidet darüber, ob Kapital in Aktien (Risiko) oder Anleihen investiert wird. Angesichts des Nullzinsniveaus und der hohen Aktienkurse sind die Märkte sehr anfällig auch für kleine Zinsanstiege. Oder auch für ein Ausbleiben immer neuer Liquidität in Form von Anleihekäufen.
Notenbanken sind nicht allmächtig
Bisher verhindert vor allem der Glaube an die Macht der Notenbanken vor einem Unfall. Allerdings werden die Notenbanker handeln müssen, wenn die Renditen steigen. Dann kommt es zum Schwur. Wir sind der Meinung, dass die Geldhüter dann mit ziemlich leeren Händen dastehen werden. Die US-Notenbank ist 2018 schon einmal mit dem Versuch gescheitert, in einen Normal-Modus zurückzukehren.
Fazit: Die Zinsentwicklung drückt den Börsen momentan die Luft ab. Setzt sich der Zinsanstieg fort, werden die Aktien unter Druck kommen - trotz guter Konjunkturdaten. Dann wird es zu einem dynamischen Abbau der Überbewertung kommen. Das Rückschlagpotenzial liegt bei 15% - 20%. Absichern und Abwarten.