Angst frisst Konjunktur
Den Börsen ist erwartungsgemäß erst einmal die Luft ausgegangen. Dow Jones, S&P 500 und DAX haben zunächst wieder in den Rückwärtsgang geschaltet. Nach dem Corona-Schock und den Rettungs-Billionen der Notenbanken verschiebt sich nun das Augenmerk erneut in Richtung der fundamentalen Entwicklung. Und die sieht nicht gut aus.
Der konjunkturelle Schock, den die Welt 2020 wird verkraften müssen, ist gewaltig. Jetzt hat sich auch die EU-Kommission dazu geäußert. Sie spricht von einem so "harten ökonomischen Schock wie seit den 1930er Jahren nicht mehr." Problematisch dabei ist, dass sich die Wirtschaft vermutlich nicht so schnell erholen wird, wie von vielen gehofft. Denn diesmal handelt es sich nicht um Liquiditäts-Probleme bei Banken als Ursache. Diesmal ist der Auslöser ein weltweites Innehalten des Wirtschaftslebens über viele Wochen – gepaart mit einer bisweilen hohen Angst vieler Menschen, sich mit einer tödlichen Krankheit anzustecken.
Angst frisst Konsumlaune
Die wirtschaftliche Erholung dürfte sich hinziehen. Denn die Angst verändert das Verhalten der Menschen und bremst den Konsum. Da helfen auch Abwrackprämien nicht weiter. Im Gegenteil: Wenn Millionen Menschen in Kurzabeit sind und weniger Geld verdienen und wenn sie Angst um ihre Jobs haben, dann reduzieren sie gewöhnlich den Konsum. Das ist ein wesentlicher Unterschied zur vorigen Finanzkrise, die viel weniger Menschen in weniger Segmenten direkt getroffen hat.
Besonders deutlich wird das morgen (Freitag) in den USA werden. Dann stehen die Arbeitslosenzahlen an. Die könnten verheernd ausfallen. Außerhalb der Landwirtschaft wird mit gut 20 Mio. weniger Beschäftigten gerechnet. Die Arbeitslosenquote wird auf 14% steigen (4,4% im März). Das wird dem wichtigen Binnenkonsum in den USA in den nächsten Monaten einen herben Dämpfer versetzen.
Erst neue Jobs, dann konjunkturelle Erholung
Erst wenn neue Jobs entstehen, wird sich die konjunkturelle Krise auswachsen. Denn nur mit Einkommens- und Jobsicherheit im Rücken werden Menschen weltweit über die Grundbedürfnisse hinaus konsumieren. Dann werden sie wieder Waren und Dienstleistungen kaufen - vom Kinoticket über Bücher, Computer, Reisen bis hin zu Autos. Und die Wirtschaft kann sich erholen. Dabei helfen keine Kaufprämien und nicht mal "Helikoptergeld". Sie erzeugen nur Einmal- und Mitnahme-Effekte.
Insofern hat Corona global eine massive "kreative Zerstörung" in Gang gesetzt. Angezählte Branchen kamen über Nacht unter erheblichen Existenzdruck. Andere Branchen wurden parallel zu Highflyern. Das spiegeln die aktuellen Umschichtungen an den Börsen wider. So notieren einigen Branchen auch nach der Zwischenrally auf den Krisentiefs (z. B. Luftahrt, Tourismus, Auto). Im Gegensatz dazu ziehen Tech-Werte an. Außerdem verschiebt sich der Investorenfokus ein Stück weit Richtung Asien, zu Ländern mit junger und wachsender Bevölkerung, technikaffin und relativ gering verschuldet.
Die Pferde müssen saufen wollen
Die weltweiten allmählichen Lockerungen des Shutdown sind ein Anfang, auch die herkömmliche Industrie wieder in Gang zu bringen. Sie helfen aber zunächst nur dabei, Waren zu produzieren und anzubieten. "Die Pferde müssen auch saufen wollen", könnte man sagen. Es bleibt vorerst abzuwarten, ob es zeitnah gelingt, durch ein neues Story-Telling die Gefährlichkeit des Virus zu relativieren und so die Ängste der Menschen zu beseitigen. Erst wenn das Klima der Todesangst bereinigt ist, werden diese Industrien und Unternehmen eine neue Perspektive haben.