Börse preist Stagflation ein
Das zweite Börsen-Quartal dürfte sehr bewegt werden. FUCHS-Kapital stellt sich auf große Schwankungen ein, allerdings mit wenig Trend-Dynamik. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Börsen einen Richtungswechsel vollziehen, halten wir nach dem guten ersten Quartal für recht hoch.
Die Unsicherheit an den Börsen wird in den kommenden drei Monaten kräftig zunehmen. Darauf deuten die jüngsten Entwicklungen im ersten Quartal bereits hin. Ein politisches Risiko ist der weiter eskalierende Ukraine-Krieg. Einerseits nimmt das Konfliktpotenzial zwischen den USA und Russland zu. Andererseits hat das politische Ringen mit China um eine Positionierung in Bezug auf Russland begonnen. Die verstärkte Reise-Diplomatie der EU signalisiert das deutlich (FB vom 27.03.).
Ein anderer Risiko-Faktor ist die offensichtlich noch nicht überstandene Bankenkrise in den USA. Die hat die Sorge zufolge, dass der Zinsanstieg auch die Geldhäuser in Europa und Asien in Mitleidenschaft ziehen könnte. Die Notenbanken, voran die US-Fed, steuert zwar mit reichlich Liquidität dagegen. Sie konterkariert damit aber auch ihre Inflationsbekämpfung.
Neue US-Konjunktursorgen
Parallel dazu keimen neue Konjunktursorgen auf. In den USA wächst mit Blick auf die kommenden drei Monates das Risiko einer sichtbaren wirtschaftlichen Abkühlung. Die jüngsten Unternehmensdaten deuten erneut darauf hin. So hat die US-Industrie zuletzt erneut ein Auftragsminus verkraften müssen. Im März gingen die Bestellungen um 0,7% gegenüber dem Februar zurück. Sie waren aber auch schon im Februar gegenüber dem Januar um 2,1% gefallen. Parallel dazu hat der US-Arbeitsmarkt an Schwung verloren.
Mit den neuen Rezessionssorgen in den USA verbinden einige Beobachter umgekehrt aber auch Zins-Hoffnungen. So gehen inzwischen nur noch 40% aller Investoren davon aus, dass die Fed die Zinsen noch einmal um 25 Basispunkte anheben wird. Die Mehrheit (60%) haben sich schon auf eine Zinspause eingestellt.
Pausiert die Fed?
Die Zins-Spekulation ist aus konjunktureller Sicht nachvollziehbar, aber nicht mit Blick auf die US-Inflation. Denn die bleibt weiter hoch, die Kerninflation ist zuletzt sogar angestiegen. Treiber der Inflation sind inzwischen längst Zweitrunden-Effekte. Baldige Entspannung sehen wir hier ohnehin nicht. Denn der US-Arbeitsmarkt bleibt trotz der jüngsten Beruhigung eng.
Auch von der Rohstoff-Seite her erwarten wir neu Inflations-Impulse. In diese Richtung wirkt direkt und unmittelbar die Kürzung der Ölförderung. Saudi-Arabien und andere OPEC+-Länder wollen ab Mai die Förderung deutlich reduzieren. Allein Saudi-Arabien will die Produktion um 500.000 Barrel pro Tag senken. Der Ölpreis ist darum bereits angesprungen (ausführlich dazu FD vom 06.04.). Die steigenden Ölpreise werden die Inflation eher wieder befeuern - am Anfang der Prozesskette.
Stagflation voraus
Angesichts dieser Lage dürften es die Notenbanken sehr schwer haben, mit ihren Zinsschritten zu pausieren. Entscheiden sie sich dafür, ist das ein Signal, dass die US-Geldhüter die Inflation nicht mehr entschlossen bekämpfen werden. Die Fed würde dann signalisieren, auf Zeit zu spielen und zu hoffen, dass die konjunkturelle Verlangsamung auch die Inflation dämpft. Das ist ein gewagtes Unterfangen.
Fazit: Die Börsen haben im zweiten Quartal ein Stagflations-Szenario vor der Brust. Eine Zinspause könnte die Aktienkurse stützen, wäre aber auch ein ambivalentes Signal. Angesichts der konjunkturellen Entschleunigung sehen wir für Aktien kein großes Potenzial. Wir raten zu Gewinnmitnahmen, insbesondere bei den zuletzt favorisierten Rohstoff-Aktien. Wir erwarten eine technische Korrektur nach unten. Versorger (Energie), defensive Werte (Konsum), Gold, Silber und Bitcoin sind aussichtsreich.