Die Börsianer haben nach dem Notenbanktreffen von Jackson Hole einmal mehr bewiesen, dass sie nur hören, was sie hören wollen. Denn obwohl der Chef der US-Notenbank darauf hingewiesen hat, dass eine Reduktion der Anleihekäufe noch in diesem Jahr "möglich sein könnte", bewerten die Börsianer eine andere Aussage noch höher. Denn Jerome Powell erklärte auch, dass ein Eingreifen von der "Entwicklung der Inflation" abhängig sei und dies von der Fed genau beobachtet werden.
Prinzip Hoffnung
Obwohl Fed-Chef Powell eine Reduktion der Anleihekäufe bis Dezember in Aussicht gestellt hat, haben die Börsen in den USA einen neuen Anlauf nach oben unternommen. Sie spielen schlicht auf Zeit und halten das Prinzip Hoffnung hoch, dass es zumindest noch ein Weilchen so weiter geht wie bisher. Diese Überlegung setzt aber vor allem darauf, dass sich der Inflationsanstieg bald wieder verlangsamt.
Wir können dieser Hoffnungs-Logik nicht folgen. Erstens verstetigt sich die Inflation bereits. Das haben auch die aktuellen Zahlen aus der Eurozone gezeigt (akt. 3,9% für Deutschland). Zweitens beruht die Spekulation auf wieder nachlassende Inflationsraten auf einer Entschleunigung der globalen Wirtschaft und einer rückläufigen Nachfrage. Aber wenn es genau dazu kommen würde, dann sind die hochgejazzten Börsenkurse erst recht sehr luftig. Der Markt müsste dann bewerten, ob diese Kurse fundamental gerechtfertigt sind. Oder er spekuliert darauf, dass die Notenbanken in einer solchen Situation weiter stumpf Geld in den Markt schütten.
Insolvenzen und wachsende Risiken in China
Dass sich der fundamentale Gegenwind verstärkt, wurde auch dieser Tage wieder an einigen Meldungen klar. So hat Euler Hermes einen sehr skeptischen Blick auf das Insolvenzgeschehen in der Euro-Zone. Demnach haben die vielen staatlichen Hilfen zwar Insolvenzen vermieden. Aber insbesondere in Italien und Frankreich ist ein deutlicher Anstieg der Firmenpleiten absehbar.
Parallel zu dieser Meldung lassen die Entwicklungen am Immobilienmarkt in China aufhorchen. Im Reich der Mitte kämpft das Immobilien-Konglomerat Evergrande ums Überleben. Der Konzern ächzt unter einer gigantischen Schuldenlast und droht zusammenzubrechen. Denn das Unternehmen steckt in akuten Liquiditätsschwierigkeiten. Wir halten es für naiv zu glauben, dass eine Immobilien- und Bankenkrise in China keinen negativen Einfluss auf die Weltwirtschaft oder Börsen hätte. Auch hier setzen die Börsianer gerade hart auf das Prinzip Hoffnung.
DAX schon unter Druck
Der Blick auf die Index-Entwicklung ist zumindest für den DAX inzwischen für uns sehr klar. Der deutsche Leitindex ist nun schon zum dritten Mal am Sprung über die Hürde von 16.000 Zählern gescheitert. Der Druck auf die Unterstützung bei 15.700 Punkten nimmt gerade täglich zu. Mag sein, dass es nochmal nach oben geht. Aber vermutlich reicht eine Nachricht oder ein wenig Abgabedruck in den USA, um den DAX nach unten zu kegeln. Erste Auffangzone: 14.800 bis 15.000 Punkte.