Die Aktienmärkte starten in großer Partystimmung ins dritte Quartal. Die steile V-Erholung der Aktienkurse vom Corona-Tief hat die Indizes schon wieder weit nach oben getrieben. Seit dem Tief ging es gut 30% nach oben. Allerdings waren die Märkte in der Zeit von Jahresbeginn bis zum Corona-Tief auch um etwa 40% gefallen.
Der US-Tech-Index Nasdaq ist inzwischen sogar auf ein neues Allzeithoch über 10.000 Punkten geklettert. Dow und DAX ziehen nahezu ungebremst hinterher. Der DAX ringt zu Beginn des dritten Quartals wieder an der Marke von 12.500 Punkten um einen Ausbruch nach oben. Gelingt er, wird der Index das Allzeithoch bei 13.800 Punkten anlaufen. Der Dow Jones nimmt gerade einen neuen Anlauf auf die Marke von 26.000 Punkten. Schafft er diese Hürde zu überwinden, rücken die Marken von 27.500 und danach 29.500 Punkte ins Visier.
Überbordender Optimismus mahnt uns zur Vorsicht
Der Optimismus an den Börsen nimmt mit den steigenden Kursen immer weiter zu - unsere Skepsis aber auch. Wir warten nach wie vor auf eine zweite Verkaufswelle an den Märkten und halten es für sehr unwahrscheinlich, dass diese ausbleibt. Uns ist klar, dass die Märkte von dem massenhaft ausgegebenen billigen Geld getrieben werden. Die Leitzinsen sind weltweit historisch tief, die Liquiditätsversorgung durch die Notenbanken ist atemberaubend. Auch die Ausgabenprogramme der Regierungen erreichen völlig neue Dimensionen. All das treibt die Kurse an.
Als aktuelle Kurstreiber kommen die institutionellen Investoren nun hinzu. Während die Privaten in der Corona-Krise schon beherzt zugegriffen haben, konnten das viele "Instis" nicht. Vor allem haben ihnen die Volatilitätsregeln oft einen Riegel vorgeschoben und Investments nicht erlaubt. Nun kommen diese Adressen in den Markt zurück und kaufen kräftig ein.
Profis steigen mit grummelnden Bäuchen ein
Aus diversen Fonds und Vermögensverwaltungen hören wir dazu aber auch, dass die Institutionellen mit "grummeligem Bauch" kaufen. Erstens, weil sie den ersten Teil der Rally verpasst haben. Zweitens, weil sie die Kurse inzwischen vielfach für schon wieder teuer halten. Aber viele Adressen haben auch jetzt keine andere Wahl. Sie leiden unter FOMO, wie es im Händlerjargon heißt. FOMO, das ist die Angst, etwas zu verpassen (fear of missing out). Also wird gekauft und gehofft, schließlich müssen die Fonds ihren Investoren ja auch Rendite liefern und können nur schwer argumentieren, warum sie die Rally nicht mitfahren.
Wir bemühen uns gerade wegen des überbordenden Optimismus der anderen, nach "schwarzen Schwänen" Ausschau zu halten. Und wir haben nicht einmal große Mühe, sogar mehrere zu entdecken. Wichtigster Punkt: Die Corona-Entwicklung in den USA ist nach wie vor dynamisch. Das dürfte dazu führen, dass immer wieder lokal und regional hart eingegriffen, die Wirtschaft gebremst werden muss. Je länger das dauert, desto schwieriger (weil unkalkulierbarer) wird es. Zugleich läuft der US-Präsidentenwahlkampf auf seinen Höhepunkt zu.
Wir sehen einige schwarze Schwäne mit negativem Überraschungspotenzial
Das führt zu einem Folgeproblem. US-Präsident Donald Trump, der in der Wählergunst deutlich abrutscht, wird mit allen Mitteln um seine zweite Amtszeit kämpfen. Seine Marschroute: den starken Mann markieren. Ein neues Aufbrechen des Handelsstreits mit China, aber auch mit Europe ist wahrscheinlich. Neue Zolldrohungen gegen das Reich der Mitte gab es schon.
Auch in der Realwirtschaft sehen wir "schwarze Schwäne". Die Zahlen zum zweiten Quartal dürften in etlichen Branchen brutal schlecht werden. Das wird noch Überraschungen geben. Relevanter wird aber noch der Ausblick für den Rest des Jahres. Hier erwarten wir, dass viele Unternehmen ein sehr vorsichtiges und eher pessimistisches Bild zeichnen werden. Das liefert Enttäuschungspotenzial - und zwar genau in die Sommerpause hinein, eine ohnehin eher schwache Börsensaison.
Pleiten rollen an
Richtig mies könnte die Stimmung dann schnell werden, wenn es weitere große Pleiten gibt. Angesichts der hochverschuldeten Unternehmen - insbesondere in den USA - ist das Risiko erheblich. So hat der US-Ölförderer Cheasapeak gerade Insolvenz angemeldet. Auch NPC International, Betreiber von 1.200 Pizza Hut-Restaurants und 385 Wendy´s geht in die Insolvenz. Und schließlich muss auch der kanadische Cirque de Soleil Insolvenz anmelden. Die Zirkustruppe hat bei einem Jahresumsatz von 850 Mio. US-Dollar Schulden von 900 Mio. US-Dollar aufgebaut. Vermutlich wird es noch etliche weitere Pleiten geben.