Potenzial noch nicht ausgeschöpft
Die Investoren arbeiten den italienischen Polit-Schock ab. Die Unsicherheit wird die Märkte noch einige Zeit in Atem halten. Denn Italien hat eine neue Phase der Unsicherheit ausgelöst und dürfte über Monate Unruhestifter sein. Das akute Risiko für die Börsen besteht darin, dass diese Situation die Nerven der Anleger überstrapaziert. Das könnte dann einen Verkaufsimpuls auslösen, der kurzfristig ein starkes Momentum bekommt.
Wir erwarten aber nicht, dass das Land einen Ital-exit hinlegen wird. Egal, welche Regierung in Rom ans Ruder kommt (und auch wie lange), die Finanzmärkte werden Rom an die Kandare nehmen. Die Ausschläge an der Börse und bei den Anleihen zeigen es schon. Darum hat Italiens nächste Regierung faktisch auch keine großen Handlungsspielräume, ihre populistischen Wahlforderungen zu realisieren. Das haben wir in FUCHSBRIEFE (FB vom 24.05.) ausführlich analysiert.
Viel heiße Luft
Die Wahrscheinlichkeit für einen Italexit halten wir in der Praxis für gering. Das gilt auch deshalb, weil Italiens Probleme damit nicht im Ansatz gelöst wären. Ganz im Gegenteil: Die Euro-Verbindlichkeiten müssten in schwacher Lira bezahlt werden. Und es müsste einen einstimmigen EU-Beschluss geben, der den Exit zulässt.
Rom wird hoch pokern, um die EU zum Entgegenkommen zu bewegen. Die EU ist politisch so angelegt, dass sie auf Kompromiss-Suche gehen und Italien im finanziellen Krisenfall die Hand reichen wird. Das hat sie beim viel kleineren Griechenland bereits bewiesen – und die Italiener haben das verstanden. Wenn Athen too big to fail war, dann ist es Rom erst recht.
Fundamentaldaten sind entscheidend
Die Finanzmärkte werden sich darum bald wieder auf die Fundamentaldaten konzentrieren. Die sprechen nach wie vor für eine gute Börsenentwicklung – insbesondere in Europa. Die globale Konjunktur läuft rund, die europäische der US-Konjunktur sogar noch hinterher. Sie wird jetzt noch durch den wieder deutlich schwächeren Euro beflügelt. Der Kurs der Gemeinschaftswährung ist steil auf 1,15 EUR/USD zurückgefallen.
Von Seiten der Notenbanken und Zinsen gibt es in Europa weiter Rückenwind. Die Geschäfts- und Ertragsaussichten in den Unternehmen bleiben gut. Für etliche Unternehmen verbessern sich die Aussichten mit Blick auf 2019 sogar weiter - insbesondere bei Exporteuren. Die profitieren vom schwächeren Euro und einer weiter starken privaten Nachfrage in den USA. Die wird – forciert von der US-Steuerreform – hoch bleiben. Das dürfte selektive Zölle und höhere Zinsen kompensieren.
Selbst die US-Zinsen sind wieder ein gutes Stück zurückgekommen. Davon dürften insbesondere einige Emerging Markets profitieren, die zuletzt hohe Geldabflüsse zu verzeichnen hatten (z.B. Argentinien). Die Gefahr, dass einige Länder davon an die Wand gedrückt werden könnten, verringert sich somit wieder.
Fazit: Der langfristige Aufwärtstrend im DAX ist weiter intakt. Die kurzfristige Unruhe kann den DAX zwar in Richtung 11.800 Zähler drücken. Das wäre aber eine sehr gute Kaufgelegenheit. Der DAX hat sein Potenzial in diesem Konjunktur- und Börsenzyklus noch nicht ausgeschöpft.