Hier können Sie zwischen der Ansicht für Geschäftskunden und Privatkunden wechseln.
Informationen und qualifizierte Einschätzungen zu Chancen und Risiken
030-288 817-20
Geschäftskunde
Privatkunde
0,00 €
1153
Nichts dazugelernt?

Zertifikate werden wieder gefragt

Der Zertifikatemarkt ist wieder im Aufwind. Nach der Lehman-Pleite war diese Anlageform völlig diskreditiert. Anleger mussten schmerzlich erleben, dass manche Risiken nicht auf dem Papier stehen. Die Skepsis scheint nun wieder überwunden worden zu sein.

Der Zertifikatemarkt ist wieder im Aufwind. Nach der Lehman-Pleite war diese Anlageform völlig diskreditiert. Anleger mussten schmerzlich erleben, dass manche Risiken nicht auf dem Papier stehen. Das Emittentenrisiko, also die Gefahr, dass ein Zertifikate-Herausgeber insolvent wird und die versprochene Leistung nicht erbringt, sorgte in vielen Depots über Nacht für Verluste.

Zum Glück waren relativ wenige Zertifikate von einer Emittenteninsolvenz betroffen. Nach Medienberichten betraf der Komplettausfall vor allem Kleinanleger. Aber auch Vermögende hatten Lehman-Zertifikate im Depot. Ihre Verluste klärten sie nicht selten heimlich, still und leise mit den Rechtsabteilungen der Banken.

Die größeren Verluste, die Zertifikateinhaber beklagen mussten, hatten andere Gründe: Die zum Teil hoch komplexen Konstrukte zeigten ihre wahre Natur in der Krise. Die „Sicherheitspuffer" waren binnen weniger Tage aufgezehrt. Das Bonuszertifikat hatte plötzlich keinen Bonus mehr und war zu einer „Aktie" ohne Dividende mutiert. Der „Aktienkorb", der für eine überdurchschnittliche Performance sorgen sollte, machte mehr Verluste als das Direktinvestment.

Konstruktionen, die durch einen herausragenden Anlageprozess, möglichst computergesteuert, zu Top-Ergebnissen führen sollten, meldeten plötzlich, dass die „Reissleine" gezogen wird und alles in einen Zerobonds investiert wird. Die in 6 Jahren fällige Restrendite ist – allerdings gesichert – mit 0,87% zu beziffern.

Kaufe nichts, was du nicht verstehst! Eigentlich – so müsste man denken – sollten Anleger nun ausreichend gewarnt sein und diese Regel beherzigen. Doch die Praxis lehrt etwas anderes.

Fall aus der Praxis

Andreas Strusow ist seit Jahren bei seiner Hausbank. Der Unternehmer braucht sie als Kreditgeber, da er immer wieder in seinen Betrieb investiert. Darum sorgt er für einen guten Kontakt. Seit Jahren pflegt er auch Beziehungen zum Anlageberater. Nicht ganz freiwillig. Der Kreditgeber hatte Strusow zu verstehen gegeben, er möge auch seine Anlagegeschäfte über die Bank abwickeln.

Seither ruft der Wertpapierberater regelmäßig an und bespricht mit ihm Anlagefragen. Mittlerweile ist das Depot auf 360.000 € angewachsen. Von den 400.000 €, die ein freier Vermögensmanager für Strusow verwaltet, weiß die Bank nichts. Vor kurzem warb der Bankberater für ein neues Produkt. Dieses sei in der Lage, die Risiken zu begrenzen und gleichzeitig eine attraktive Rendite zu erzielen. Zwar seien „Hedgefonds" als Folge der Finanzkrise in der Kritik, aber man müsse nur die Spreu vom Weizen trennen. Strusow solle eine Garantieanleihe (klingt besser als Zertifikat!) kaufen.

Grundlage des empfohlenen Zertifikats sei der J. P. Morgan Multi Strategy 5 Index. Dieser Index bilde, so der Bankberater die Wertentwicklung von 26 Alternativ- Investment-Strategien ab, die sich in drei Gruppen zusammenfassen lassen. Momentum-, Carry- und Satellite- Strategie. Die Laufzeit des Papiers beträgt 5 Jahre. Das Risiko sei mit 5% Schwankungsbreite sehr begrenzt. Das Konstrukt wird durch einen Kapitalschutz gekrönt. Am Ende werden garantiert 100% zurückgezahlt.

Noch Fragen?

Da fragt sich der kritische Betrachter: Wenn das Risiko so gering ist, wozu braucht es eine Rückzahlgarantie? Schließlich kosten Garantien immer Renditepunkte. Keine Leistung ist umsonst. Zudem: Der Erwerb der „Anleihe" wird mit einen Agio von 2% belastet. Damit sind bereits zwei Dinge klar: Erstens erhält der Unternehmer im schlimmsten Fall nicht 100% seiner Einlage (also inklusive Agio), sondern nur 100% des Nominalbetrags wieder. Das wäre also doch ein Verlust. Zweitens kennt er mindestens ein Motiv, warum sein Berater ihn angerufen hat. Der wird nämlich daran gemessen, welchen Ertrag er durch Provisionserlöse erzielt.

Wie soll Strusow jetzt handeln? Wenn er genügend Zeit zur Verfügung hat, kann er sich die Anlage detailliert erklären lassen. Er sollte u.a. fragen, wie viel die Bank beim Abschluss verdient. Ohne eine erschöpfende Auskunft dazu, ist eine vertrauensvolle Beziehung nicht möglich. Der Unternehmer sollte weiter fragen, welche Gebühren die Bank nach dem Kauf pro Jahr zusätzlich nimmt. Diese Kosten unterschlagen Bankberater gerne.

Als nächstes könnte der Anleger in spe den Berater bitten, das Produkt zu erklären. J. P. Morgan ist der Emittent, also sollten Details zur Bonität des Schuldners bekannt sein. Darüber gibt es allerdings nur wenige Informationen (J.P. Morgan Structured Products), mehr aber über den Garantiegeber, die JPMorgan Chase Bank. Standard & Poors bewertet das Haus mit AA-, Moody's mit Aa1. Das ist ohne Frage ein guter Wert. Die Auskunft ist wichtig für eine kompetente Entscheidung.

Danach sollte sich Herr Strusow erläutern lassen, wie das Zertifikat bewertet wird und in was er investiert. Der Berater wird ihm erzählen, dass er in einen regelbasierten Index investiert. Dieser Indextyp versuche, durch Ausnutzung von Ineffizienzen oder Tendenzen in Marktpreisen Renditen zu erzielen. Das dürfte vielen Anlegern wenig oder gar nichts sagen. Der Index solle zudem durch Auswahl verschiedener Strategien eine geringe Korrelation zu anderen Anlageklassen haben. Falls er nicht schon kapituliert hat, könnte Strusow fragen: Was sind das für Strategien? Der Berater wird jetzt antworten, dass es sich um Momentum-, Carry- und Satellite-Strategien handelt. Die letzte lässt sich in Mean-Reversionund in Short-Volatility-Strategie unterscheiden.

Den weiteren Verlauf des Anlagegesprächs überlassen wir der Phantasie des Lesers. Nur so viel: Der Obskurantismus der Anlagestrategen hat System. Viele Zertifikatekäufer lassen sich von den Leistungsversprechen verführen, ignorieren aber die Risiken.

Hochkomplexe Zertifikate, auch wenn sie jetzt Anleihen genannt werden, sind selbst für erfahrene Anleger häufig nur schwer zu verstehen. Würde jeder den Grundsatz beherzigen „Kaufe nur das, was du verstehst!", dann hätte das Produkt von J.P. Morgan eigentlich keine Chance am Markt. Dennoch erhielt das Produkt das Gütesiegel des DDV (Deutscher Derivate Verband), dem Verband der Zertifikateherausgeber.

Die Finanzkrise ist noch nicht überstanden – schon zeichnen Anleger wieder trendige Anlageprodukte, ohne groß nachzufragen. Die Marketingabteilungen der Emittenten tun ihr Bestes, um die Nachfrage nach Rendite bei beschränktem Risiko zu befriedigen.

Die Banken locken mit vielversprechenden Namen. So hat die LBBW ein Produkt auf den Markt gebracht, das „Solveo" heißt. Damit sollen wohl Assoziationen wie „solvent" geweckt werden. Bei dem Papier handelt es sich um ein „Credit-Linked-Note". Wieder taucht das Wort „Zertifikat" nicht auf, obwohl die LBBWKreation eines ist. Die Besonderheit: Solange von vier darin gebündelten Unternehmen (Henkel, Metro, E.on und ThyssenKrupp) keines inZahlungsschwierigkeiten gerät, erhält der Anleger bis zu 4% Zinsen im Jahr. Das klingt gut angesichts der Magerrenditen von Bundesanleihen. Die Firmen dürfen jedoch kein „Kreditereignis" erleiden. Damit ist die Insolvenz eines Unternehmens, aber auch eine Umstrukturierung der Schulden gemeint.

Wenn der Notfall bei einem Unternehmen eintritt, ist es egal, ob es den anderen gut geht. Jetzt zählt nur noch die Anleihe des Unternehmens in der Krise. Der Zinssatz steht demnach in keinem sinnvollen Verhältnis zum Risiko – aber solvent klingt erstmal gut! Der einzige Vorteil dieses Produkts: Seine Tücken sind schneller zu durchschauen als die des J.P.-Morgan-Papiers.

Zertifikate, nein danke?!

Die Antwort auf die Frage, ob Zertifikate grundsätzlich abzulehnen sind, ist dennoch Nein! Allerdings sind transparente Produkte weiter Mangelware. Wie vor der Finanzkrise zählen das Kundeninteresse wenig, entscheidend sind die Provisionen der Banken. „Sie haben nichts gelernt", kann man derzeit häufig hören.

Empfehlenswerte Zertifikate sind bspw. die klassischen Discount-Zertifikate. Spezialisten schaffen mit diesen Produkten seit Jahren eine gute Rendite und eine angemessene Risikostreuung im Depot. Zudem sind diese Papiere relativ leicht zu verstehen. Auch weiß der Anleger von Anfang an, was die kritischen Schwellen sind. Im Rohstoffbereich lassen sich bestimmte Anlageklassen nur über solche Konstrukte abwickeln. Ein Beispiel für diesen Zertifikatetyp sind Gold-ETFs. Sie haben einen besonderen Schutz, weil das Anlegergeld mit echtem Gold hinterlegt ist. Ein seriöser Vertreter dieser Vermögensklasse ist die Anleihe „XETRA-Gold" (DE 000 A0S 9GB 0). Der Anleger hat zudem einen Lieferanspruch.

Allerdings: Wer Gold für die Krise aller Krisen hortet, hat im Chaos des wirtschaftlichen Zusammenbruchs keine endgültige Sicherheit. Es ist nicht sicher, ob er dann an sein Gold kommt bzw. seinen Rechtsanspruch durchsetzen kann. Wer das akzeptiert, ist mit dem Produkt ansonsten gut bedient.

Meist gelesene Artikel
  • Fuchs plus
  • Doppelter Urlaubsanspruch bei unrechtmäßiger Kündigung?

Bundesarbeitsgericht löst auf

Bei einer zeitlichen Überschneidung einer rechtswidrigen Kündigung mit einer neuen Beschäftigung könnte theoretisch ein doppelter Urlaubsanspruch entstehen. Das Bundesarbeitsgericht musste jetzt entscheiden, wie damit umzugehen ist.
  • Fuchs plus
  • Stiftungsvermögen 2024: G & H Gies & Heimburger Vermögens-Management GmbH

G & H kann mit Edelstein TOPAS nur bedingt punkten

Thumb Stiftungsvermögen 2024, © Grafik Redaktion Fuchsbriefe mit Envato Elements
Sehr tiefschürfend sind die Informationen über den Kelkheimer Vermögensverwalter Gies & Heimburger auf dessen Website nicht. Drei Herren mittleren Alters schauen dem Leser freundlich entgegen. Bei der weiteren Recherche stellen sie sich als die Geschäftsführer Markus Gies sowie Bernd und Hans Heimburger heraus. Man sei ein bankenunabhängiger, professionell organisierter Vermögensverwalter mit viel persönlichen Erfahrungen. Reicht das, um die Stiftung Fliege zu überzeugen?
  • Fuchs plus
  • Forschung zur Rückeinspeisung von Strom aus dem E-Auto

Geld verdienen mit dem Strom-Verkauf aus E-Autos?

Elektro-Auto an einer Ladestation © Wellnhofer Designs / stock.adobe.com
Können E-Autos das Stromnetz stabilisieren und der gespeicherte Strom vielleicht sogar ertragreich wieder verkauft werden? Diese Fragen werden in einem Forschungsprojekt untersucht.
Neueste Artikel
  • Fuchs plus
  • Stiftungsvermögen 2024: G & H Gies & Heimburger Vermögens-Management GmbH

G & H kann mit Edelstein TOPAS nur bedingt punkten

Thumb Stiftungsvermögen 2024, © Grafik Redaktion Fuchsbriefe mit Envato Elements
Sehr tiefschürfend sind die Informationen über den Kelkheimer Vermögensverwalter Gies & Heimburger auf dessen Website nicht. Drei Herren mittleren Alters schauen dem Leser freundlich entgegen. Bei der weiteren Recherche stellen sie sich als die Geschäftsführer Markus Gies sowie Bernd und Hans Heimburger heraus. Man sei ein bankenunabhängiger, professionell organisierter Vermögensverwalter mit viel persönlichen Erfahrungen. Reicht das, um die Stiftung Fliege zu überzeugen?
  • Fuchs plus
  • Hot Stock der Woche

Evotec mit Kurseinbruch

Kursrückgang © Looker_Studio / stock.adobe.com
Kurseinbruch bei Evotec. Auslöser sind schlechte Zahlen, ein Chefwechsel und ein fehlender Ausblick auf 2024. FUCHS-Kapital klärt, was Anleger nun tun sollten.
  • Fuchs plus
  • Chart der Woche vom 25.04.24

Volkswagen an Dreifach-Unterstützung

Volkswagen © Sina Schuldt / dpa / picture alliance
Fundamental ist die Aktie von VW aussichtsreich. Nun kommt auch ein charttechnisch interessantes Kaufsignal dazu. Wer jetzt an der Dreifach-Unterstützung kauft, hat gute Chancen auf einen zügigen Kursgewinn.
Zum Seitenanfang