Die Zinsfalle
Ein Fall aus der Praxis
Freiberufler Heiner Siorka (Mitte 60) findet im Briefkasten ein „Wiederanlageangebot“ seiner Hausbank. 600.000 Euro aus einer Inhaberschuldverschreibung sind fällig geworden. Sie suchen eine neue Renditequelle. Den Betrag soll er in einen Rentenfonds investieren. Das Produkt hat – so die Werbeaussage – herausragende Ergebnisse in der Vergangenheit erzielt. Doch Siorka wird wahrscheinlich enttäuscht werden, wenn er sein Geld in diesen Fonds investiert. Die Begründung ist facettenreich. Die „tollen“ Erträge (Kursgewinne) der letzten Monate stammen aus den massiven Zinssenkungen am Rentenmarkt. Vor einem Jahr betrug die Umlaufrendite noch 1,3%, vor vier Jahren sogar über 3%. Diese Kennzahl bildet die Durchschnittsrendite aller bonitätsstarken Anleihen ab und ist ein guter Indikator für den Markt. Dieser Wert ist seit Monaten im Sinkflug. Heute beträgt die Umlaufrendite 0,17%. Das Fondsmanagement hat zum Erfolg wenig beigetragen. Wenn Siorka von dem neuen Fonds ähnlich hohe Renditen erwartet, müssten die Zinsen somit weiter fallen – und zwar deutlich in den negativen Bereich. Rentenfonds können „nach vorne“ nur die Zinsen bringen, die der Markt aktuell bietet. Wird die Umlaufrendite als Orientierung genommen, verbleiben also 0,16% p. a. als „sicherer“ Ertrag. „Ganz dicke“ käme es, wenn die Zinsen steigen würden. Dann würde der Wert des Fonds massiv fallen. Das Factsheet des angepriesenen Fonds spricht von einer „modifizierten Duration“ von 4,2%. Daraus kann der Freiberufler ableiten, dass er bei einem Zinsanstieg von 1% einen Verlust von 4,2% zu verkraften haben wird. So einen Rückgang wieder aufzuholen, dürfte Jahre dauern. Und dann sind da noch die Kosten: 0,6% verlangt das Fondsmanagement. Hinzu kommen die „Fondshüllenkosten“ von ca. 0,25%. Damit sind bereits 0,85% pro Jahr verbraucht. Wenn der Anleger keinen Verlust machen will, müssen mindestens 0,85% erzielt werden. Verdient hätte dann nur die Fondsgesellschaft. Bei konservativen Mischfonds mit hohem Rentenanteil ist die Kostenquote noch höher: Häufig fallen hier mehr als 1,2% p. a. an Grundkosten an. Fondsmanager haben zur Ertragserzielung in diesem Umfeld zwei Möglichkeiten. 1.: Sie können die Laufzeit ihres Anleihebestands verlängern. Damit steigt das Kursrisiko stark an. Zudem ist die Zinskurve flach, d. h., es gibt kaum Mehrertrag für längere Laufzeiten. 2.: Sie könnten das Bonitätsrisiko des Anleihebestands erhöhen. Diese Strategie fahren derzeit viele Manager. Problem: Sobald Unruhe an den Rentenmärkten aufkommt, werden diese Wertpapiere stark an Wert verlieren. Die Risikoaufschläge springen nach oben, vice versa fallen die Kurse. Experten befürchten, dass genau dieses Szenario die nächste Krise beherrschen wird. Die Bedingungen lassen aber bei vielen Fonds nicht zu, dass der Fondsmanager die o. g. Möglichkeiten nutzen darf. So kann er Fremdwährungsanleihen, die höhere Renditen bringen könnten, nur begrenzt einsetzen. Solche Restriktionen erkennt der Laie in der Regel nicht. Siorka sollte jedenfalls den empfohlenen wie vergleichbare Fonds unbedingt meiden. Er muss sich damit abfinden, dass der Rentenmarkt seine Renditewünsche derzeit nicht erfüllt. Vielmehr sollte er in seiner Ruhestandsplanung die Aktie stärker gewichten. Er könnte für einen Teil des Vermögens auch auf offene Immobilienfonds zurückgreifen. Hier muss er die Mindestanlagedauer von zwei Jahren und eine Kündigungfrist „aushalten“. Dafür wird diese Illiquidität aber mit einer Ertragserwartung von 2 bis 2,5% „bezahlt“.Fazit: Ein gut gemischtes Portfolio mit geringen Kosten ist ein guter Ansatz. Dazu gehören auch Anleihen – mit hoher Bonität und kurzen Laufzeiten. Hinzu könnte er trotz der höheren Kosten zinsunsensiblere „Absolute-Return“-Fonds beimischen. Gute Fonds schaffen es, Marktunebenheiten zu nutzen, um so Renditen abzuschöpfen.