Das Finanzministerium hat die Aufregung unterschätzt, die eine Diskussion über eine Obergrenze für den Bargeldeinsatz auslösen würde. Davon sind Bankvertreter überzeugt. Die Überlegungen kamen parallel zu solchen der EZB, den 500-Euro-Schein abzuschaffen. „Das hat die Deutschen aufgeschreckt“, sagen uns Verbandsvertreter aus dem Sparkassensektor. Zudem wird in Fachkreisen seit Langem diskutiert, ob sich eine auf Inflation gerichtete Zinspolitik nicht besser durchsetzen ließe, wenn es kein Bargeld mehr gäbe. Eine verrückte Idee: Denn dann würden die Menschen auf den US-Dollar umsteigen – der Euro wäre in kurzer Zeit zerrüttet.
Liechtenstein und die Schweiz profitieren von der deutschen bzw. europäischen Diskussion. Viele Anleger, besonders auch Mittelständler, sind wegen der instabilen politischen Lage in Europa alarmiert. Ausweichstrategien zur Liquiditätssicherung im „Fall der Fälle“ haben Konjunktur. Zielland ist häufig Kanada.
Die beiden deutschsprachigen Nachbarländer stehen dabei als Brückenköpfe zur Verfügung. Beliebt sind Konten und Depots in diesen Ländern, weil ein Zugriff deutscher Behörden (Kontensperrungen, Kapitalverkehrskontrollen) mit einer zeitlichen Verzögerung von mindestens zwei Wochen kommt – wenn überhaupt. In dieser Zeit, so sagen uns Banker, sind sie beauftragt, sämtliche Vermögenswerte insbesondere auf Konten in Kanada zu transferieren. Dort haben viele Deutsche einen zusätzlichen Wohnsitz als letzten Zufluchtsort, falls das Experiment Europa den Bach runtergeht.
Fazit: Kapitalflucht geschieht niemals laut. Die labile Lage Europas bis hin zur Diskussion über ein nächstes Hilfspaket oder einen Schuldenerlass für Griechenland und die Absage an den Stabilitätspakt durch Italien verbunden mit der Diskussion, das Bargeld abzuschaffen werden bald auch in den Statistiken über die deutschen Geldströme sichtbar werden.