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Philanthropie | Stiftungen

Stiftung im Rechtsform-Wettbewerb

Im Stiftungswesen gibt es neue Trends. Wir stellen sie vor.
Das bürgerschaftliche Engagement verändert sich. Es geht weg von großen, alten Institutionen und Formen hin zu kleinen, neuen. Weg vom passiven Spenden zum aktiven Handeln. Beleg: Von 1948 bis 2008 nahm die Zahl der neugegründeten Stiftungen bürgerlichen Rechts in Deutschland jedes Jahr zu. Seitdem aber stagniert sie auf hohem Niveau. Doch die verfügbaren Privatvermögen haben nicht so abgenommen, dass sich niemand mehr leisten könnte, philanthropisch tätig zu werden. Drückt man bürgerschaftliches Engagment aus im Spenden von Empathie, Zeit, Ideen, Knowhow, Reputation und Vermögenswerten, geht auch dies nicht zurück. Im Gegenteil: Es nimmt zu. Die Philanthropen des 21. Jahrhunderts sind jünger, oft weiblich, wollen kein Denkmal, sondern den social change mit gestalten. Für Bürgerinnen und Bürger, Unternehmerfamilien, Studenten und Arbeitnehmer ist Philanthropie Teil des Lebensplans. Ihre Motive sind Teilhabe, Wirkung, Lerneffekte, Spaß und Wir-Gefühl. Staatliche Kontrollen erscheinen vielen als hinderlich. Die Erhaltung des Kapitals, ohne es zu nutzen, kommt ihnen angesichts der auf absehbare Zeit schlechten Renditen sinnlos vor. So ist es verständlich, dass die Stiftung, zumal die des bürgerlichen Rechts, an Attraktivität verloren hat. Vor die fünf klassischen Entscheidungen jedes Stifters bei der Gründung (Name, Sitz, Zweck, Vermögen, Organisation) ist daher eine sechste getreten: die Form. Die unselbständige oder Treuhandstiftung erlebt eine neue Blüte. Steuerlich gleichgestellt, ist sie in Gründung und Führung einfacher, weil sie nicht der staatlichen Stiftungsaufsicht unterliegt. Der Kapitaleinsatz ist deutlich geringer und die Auflösung leichter. Das kommt denen entgegen, die über weniger Kapital verfügen oder für die der Kapitalerhalt zu wenig unternehmerisch erscheint. Die Nachteile der mangelnden Rechtsfähigkeit lassen sich ggf. durch ein besonderes Konstrukt noch weiter minimieren. Bedenkenswert erscheint die Zustiftung zu einer bestehenden Stiftung. Sie kann unter Auflagen erfolgen. Mitstiften kann bei Bürger- oder Gemeinschaftsstif-tungen erfolgen. Dort kann man sich auch an der Governance beteiligen. Möglich ist zudem die Gründung eines Fonds innerhalb einer Stiftung, unterhalb der Schwelle einer Treuhandstiftung, aber mit eigenem Profil. Eine weitere Option ist die Verbrauchsstiftung. Sie ist seit 2013 als Stiftung bürgerlichen Rechts möglich. Das Kapital kann planmäßig über eine feste Zeit aufgezehrt oder für eine Reihe von Jahren erhalten und dann an einen Letztbegünstigten ausgeschüttet werden. Schon seit einem halben Jahrhundert gibt es erfolgreiche Beispiele für Stiftungen in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft. Meist handelt es sich um die ‚Stiftung gGmbH’, gelegentlich als ‚Stiftung gAG’ und seit neuestem auch als ‚Stiftung gemeinnützige Unternehmergesellschaft haftungsbeschränkt’. Diese Formen sind steuerlich weniger privilegiert. Aber für manche Stifter wiegen die eingeräumten Vorteile, die Freiheit von staatlicher Aufsicht, die leichtere Auflösbarkeit und die vertrautere Handhabung diesen Nachteil mehr als auf. Größere Unternehmerfamilien und Familienunternehmen gründen immer häufiger ‚philanthropische Family Offices’. Meist sind sie als GmbHs organisiert. Sie koordinieren, ohne selbst über viel Kapital zu verfügen oder steuerlich privilegiert zu sein, das Engagement der Familienmitglieder und der Unternehmensgruppe. Der Anspruch, nicht nur zu spenden, sondern auch aktiv etwas zu bewegen, hat die Palette der Optionen weiter geöffnet. Dabei scheint sich die früher starre Grenze zwischen „gemeinnützig“ und „nicht gemeinnützig“ im steuerlichen Sinn zunehmend zu verwischen. Zumal jüngere Philanthropen wägen die steuerlichen Vorteile genauer gegen die Nachteile der Bevormundung ab. Sie kommen zu anderen Ergebnissen als ihre Väter und Großväter. Auch größere Beträge werden heute aus versteuertem Einkommen für Ziele bereitgestellt, für die Steuervorteile aber auch nicht ausgeschlossen wären. Dies gilt besonders, wenn aus dem Philanthropen ein Social Investor oder Social Entrepreneur wird. Der erste investiert Vermögenswerte und hat dabei ein Mix aus Zielen vor Augen, das von vergleichbarer Rendite bis zu Renditeverzicht und von aktivem Eingreifen, etwa als Venture Philanthropist, bis zu wohlwollender Distanz reicht. Der Social Investor erwirbt bspw. social bonds und wird kaum je zum Stifter; klassische Investitionsinstrumente des Marktes bieten ihm bessere Realisierungschancen. Der Social Entrepreneur investiert Zeit. Er wird zum Unternehmer, für den das ideelle Ziel Priorität hat und oft genug die „schwarze 0“ das realistische wirtschaftliche Ziel ist. Vom Selbstverständnis des Spenders und Stifters hat er sich weit entfernt.

Fazit: Die klassische Stiftung hat gewiss nicht ausgedient. Aber sie steht im Wettbewerb. Der Philanthrop hat heute die Wahl des Instruments.

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