Umgang mit Unisex-Tarifen
Männer sterben im Durchschnitt früher als Frauen. Das ist statistisch gesichert. Die Versicherungsgesellschaften differenzieren deshalb bei ihren Angeboten. So sind Lebensversicherungen für Männer teurer als für Frauen. Bei Krankenversicherungen ist es wegen des Schwangerschaftsrisikos und der längeren Lebensdauer umgekehrt. Auch bei privaten Rentenversicherungen haben die Frauen das Nachsehen und müssen sich bei gleichem Beitrag mit niedrigeren Rentenzahlungen begnügen. Doch ab dem 21.12.2012 ändert sich die Versicherungswelt.
Sabrina und Kurt Meyersholt sind beide 65 Jahre alt und haben soeben ihre Lebensversicherung ausgezahlt bekommen. Beide freuen sich über eine Auszahlung von jeweils gut 500.000 Euro. Dieses Geld wollen sie nun als Basis für ihre Rentenversorgung nutzen. Im Blick haben sie die „klassische" Leibrentenversicherung. Diese zahlt monatlich eine Garantierente sowie eine – nicht sichere – Zuschussrente. Eine Rentenversicherung hat den Vorteil, dass die Gesellschaft das „Risiko" eines langen Lebens übernimmt. Egal, ob sie 80, 90 oder 100 Jahre alt werden – solange sie leben, wird die Assekuranz die Rente überweisen. Diese Sicherheit ist den Meyersholts wichtig. Sie holen deshalb mehrere Angebote ein.
Das beste Angebot bei einer Einzahlung von jeweils 500.000 Euro sieht für Herrn und Frau Meyersholt unterschiedliche Rentenzahlungen vor. Letztere erhält von der Versicherung eine garantierte Monatsrente in Höhe von 1.701 Euro – mit Überschüssen könnte sie 1.903 Euro erreichen. Ihr Gatte erhält dagegen eine Mindestrente von 1.899 Euro und eine Gesamtrente von 2.080 Euro. Die Rentenzahlung erfolgt in beiden Fällen 20 Jahre lang, so dass bei einem frühen Tod des einen der andere Ehepartner eine doppelte Rente beziehen würde.
Versicherungsmathematiker stehen Kopf
Ein Versicherungsmakler, dessen Rat Frau Meyersholt einholt, warnt sie, zum jetzigen Zeitpunkt eine private Rentenversicherung abzuschließen. Herr Meyersholt dagegen sollte einen Versicherungsvertrag möglichst schnell abschließen. Hintergrund ist das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 1.3.2011 gegen geschlechtsabhängige Tarife. Alle Versicherungsunternehmen müssen ab 21.12.2012 Frauen und Männer in einen „Risikotopf" werfen. Künftig darf das Geschlecht weder Prämie noch Leistung beeinflussen.
Die Umstellung stellt die Versicherungsmathematik auf den Kopf – und zwar nicht nur bei der Rentenversicherung. Viele andere Versicherungsformen sind ebenso betroffen. Hier ein Überblick:
- Die Risikolebensversicherung wird ab 21.12.2012 für Frauen erheblich teurer. Nach Expertenschätzungen werden die Prämien um bis zu 40% steigen. Für Männer dagegen könnten sie sich um 10% verringern.
- Die Berufsunfähigkeitsversicherung wird für Männer deutlich teurer. Prämienerhöhungen um 10% und mehr sind möglich. Für Frauen könnten die Beiträge dagegen um gut 20% sinken.
- Bei Krankenzusatzversicherungen müssen Männer nach der Tarifumstellung mit um 20% höheren Prämien rechnen. Auf Neukunden einer Krankenvollversicherung kommt ein Kostenanstieg um 30% zu.
- Bei Pflegezusatzversicherungen müssen Männer ab Ende 2012 mit um ein Drittel höheren Prämien rechnen. Auch hier sind die Frauen die Gewinner.
- Privat krankenversicherte Männer, die einen Tarifwechsel planen, sollten sich ebenfalls sputen. Wegen der neuen Kalkulationsbasis dürfte er unattraktiver werden. Frauen profitieren dagegen von einem späteren Abschluss – doch der Preisvorteil ist geringer.
Die genauen Preis- und Leistungsunterschiede hält die Assekuranz noch geheim. Viele Versicherer geben nur Richtwerte heraus. Wer noch mit einem Abschluss warten will, sollte ein Risiko bedenken: Wer zwischenzeitlich chronisch krank wird, hat schlechte Karten. Die Versicherung kann in diesem Fall den Schutz ablehnen oder eine höhere Prämie verlangen. Einige Versicherungen bieten aber ohne Gesundheitsprüfung den Wechsel in den neuen Tarif an – nach dem Motto: Heute abschließen, aber erst 2013 wechseln. Das ist sinnvoll.
Herrn und Frau Meyersholt beschert das Gespräch mit ihrem Versicherungsmakler einen satten Renditesprung. Sie wird 6% mehr Rente erhalten, wenn sie ihre Rentenversicherung erst 2013 abschließt. Er kann mit einer um 8% höheren Zahlung rechnen, wenn er den Vertrag vor dem 21.12.2013 unterschreibt.
Fazit: Wer gegenwärtig den Abschluss einer Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung plant, sollte die Umstellung auf Unisex-Tarife Ende des Jahres unbedingt ins Kalkül ziehen. Je nach Geschlecht werden Versicherungsverträge erheblich billiger oder teurer.