Die Zinsen werden weiter steigen
Anleger in Zinspapieren gehen besser in Hab-Acht-Stellung. Gestern um 10:30 MEZ haben die US-Bondmärkte die „Schallmauer“ bei den Zinsen durchbrochen. Seitdem bringen die 10-jährigen US-Staatsanleihen (Treasuries) wieder mehr als 2% (aktuell 2,04%).
Die Kehrtwende hatte bereits im Sommer 2020 eingesetzt. Damals waren die Treasuries an ihrem Tiefpunkt bei 0,50% angekommen. Der erste steile Anstieg erfolgte bis zum März 2021 auf 1,70 %. Danach kam die (technische) Verschnaufpause; es ging herunter bis auf 1,20%. Doch schon seit dem Dezember 2021 ist der nächste steile Anstieg in Gang.
Das Fass läuft über
Grund sind die heftig angezogenen Geldentwertungsraten (Inflationsraten) infolge der Corona-Geldschwemme. Die massiven Ausgabenprogramme der Regierungen haben das ohnehin übervolle Geldfass in den Industriestaaten endgültig zum Überlaufen gebracht. Die USA „überraschen“ die Anlageprofis Monat um Monat aufs Neue mit weiter ansteigenden Teuerungsraten bei Konsumgütern und Energie, zuletzt von 7,5%, dem Spitzenwert seit (ziemlich genau) 40 Jahren.
Die Märkte erwarten für die US-Fed sechs Zinserhöhungsschritte in diesem, weitere vier im folgenden Jahr. Das heißt: Der US-Zentralbankzins klettert (mindestens) bis auf 2,5%. Damit die Zinskurve nicht schnell invers wird – die kurzfristigen Zinsen höher als die langfristigen liegen – müssen die Marktzinsen in den USA nach Adam Riese somit in den kommenden knapp zwei Jahren auf deutlich über 3% steigen. Das bedeutet aber weitere spürbare Kursverluste.
Kursverluste bei Anleihen
Schon jetzt werden US-Langläufer zu Kursen unter 99,0 gehandelt (Preisspanne 98,55 bis 98,59). Bundesanleihen, die erst 0,30% Zinsen bringen, werden zu Kursen von 96,9 bis 97,9 ge- und verkauft. Auch in diesem Segment erwarten wir weitere und noch deutliche höhere Kursverluste. Denn wir sind überzeugt, dass sich die Inflation nicht so schnell so deutlich abkühlt, wie allgemein erwartet wird.
Zu wenig wird über die kommenden Lohnrunden gesprochen. Und das bei einem völlig austrocknetem Arbeitsmarkt und einer "Nachhol-Konjunktur", die uns in diesem Jahr noch positive "Überraschungen" beim Wachstum bringen wird.
"Die Reichen" verdienen am Aktienmarkt, die "Normalos" erleiden Reallohnverluste?
Die Annahme, Arbeitnehmer und Gewerkschaften würden die Füße schon stillhalten, ist naiv. Auch wenn in Deutschland mit der Metallindustrie erst im Sommer die nächste und erste große Lohnrunde im Inflationsaufschwung stattfindet, erwarten wir, dass die IGM auf die hohen Belastungen bei Energiepreisen, Wohnen etc. verweist, während zudem vor allem „den Reichen“ die ausgesprochen gute Kapitalmarktentwicklung volle Taschen beschert hat. Entsprechende Andeutungen von Funktionären gibt es schon. Zudem soll das Tarifgefüge an den neuen Mindestlohn bei 12 Euro angepasst werden.
Immer wieder "überraschte" Experten
Es dürfte also auch an dieser Stelle zu erneuten „Überraschungen“ der Experten kommen. Damit kommt dann die befürchtete Preis-Lohn-Spirale in Gang, von der niemand weiß, wie heftig, schnell und wie lange sie sich drehen wird.
Auch die deutschen Staatsanleihen werden noch einen deutlichen Anstieg verzeichnen. +200 Basispunkte erwarten wir auch hier. Mindestens ebenso große Vorsicht ist bei Unternehmensanleihen geboten. Achten Sie hier verstärkt auf die Bonität. Denn mit steigenden Zinsen werden auch die Pleitezahlen in die Höhe schnellen. Die Corona-Ruhephase dürfte sich hier noch als trügerisch erweisen.