Doppelt abgezockt
Damit aber nicht genug. Lässt sich der Steuerzahler die vermeintlichen Renditen wegen des bei Schneeballsystemen üblicherweise extrem hohen Zinssatzes erst gar nicht auszahlen, sondern legt sie sofort wieder bei seinem unseriösem Geschäftspartner an, muss er die ihm gutgeschriebenen und wiederangelegten vermeintlichen Renditen ebenfalls versteuern.
Schneeball-Betreiber muss leistungsfähig sein, damit die Steuer fällig wird
Steuertechnisch ist mal wieder eine Finesse eingebaut. Denn: Gutschriften aus Schneeballsystemen führen dann zu steuerpflichtigen Einnahmen aus Kapitalvermögen, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge "leistungsbereit und leistungsfähig" gewesen wäre. Anders gesagt: Es kommt nicht darauf an, was der Schneeballbetreiber tatsächlich mit den Geldern angestellt hat. Entscheidend ist, was er den Anlegern vorgegaukelt hat. Und wie sich das aus Sicht der Anleger dargestellt hat. Damit hält der BFH weiter an seiner bisherigen ungünstigen Rechtsprechung fest.
Und hier leigt der Hase im Pfeffer. An der Leistungsbereitschaft des Betreibers des Schneeballsystems kann es nämlich fehlen. Etwa, wenn er auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt. Dann fehlt es an einem "Zufluss" beim Anleger, und der Glückliche muss nicht versteuern.
Keine Rolle spielt …
ob zum Zeitpunkt der Neuanlage eine Deckungslücke zwischen den dem Betreiber des Schneeballsystems zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den bestehenden Forderungen aller Anleger besteht, wenn diese hypothetisch "auf einen Schlag" zu befriedigen wären.
Es spielt auch keine Rolle, ob der gutgläubige Anleger ggf. berechtigt gewesen wäre, den Anlagevertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten.
Schneeballfirma aus den USA
Im Urteilsfall handelte es sich bei der Schneeballfirma um ein in den USA ansässiges, als Aktiengesellschaft gegründetes Unternehmen. Das vorgeschriebene Aktienregister (stock-ledger) wurde nicht geführt. Aktien wurden tatsächlich nicht an Anleger ausgegeben. Vielmehr war der „Director” bzw. „President” nach eigenen Angaben einziger Aktionär. Auch erfolgten nach 2004 keine Kapitalerhöhungen, obgleich einem Stammkapital von 10 Mio. USD eine weitaus höhere Vermögensbeteiligung der Anleger gegenüberstand, welche nach den Ermittlungen der Steuerfahndung über 100 Mio. EUR betrug.
Die AG ist im Handelsregister eines US-Staates registriert. Seit dem 1.10.2012 ist der Vermerk „Default” eingetragen ist. Das bedeutet „in Verzug” und beinhaltet, dass geschäftliche Unterlagen nicht eingereicht wurden und die Erlaubnis, geschäftlich tätig zu sein, entzogen wurde. Im Handelsregister des US-Staates ist für die AG seit dem 27.10.2010 der Status „inactive” eingetragen. Das bedeutet, dass die AG im Handelsregister gelöscht ist. Die AG erstellte keine Bilanzen und gab in den USA keine Steuererklärungen ab.
15,5% Rendite versprochen
Die Beteiligungen an AG wurden unter Inaussichtstellung hoher Renditen (15,5%) in der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz vertrieben. In den Prospekten und den von den Anlegern unterschriebenen Beitrittserklärungen wurden die Anleger als „Gesellschafter” bzw. „stille Gesellschafter” bezeichnet. In neueren Prospekten seit 2009 wurden hingegen die Anlagen als Aktienbeteiligungen beworben.
Die Steuerfahndung rechnete der Klägerin in den Jahren 2006 bis 2010 Scheinrenditen von jährlich zwischen rd. 3.000 und 24.000 Euro zu. Diese sollte die Frau als Kapitaleinkünfte versteuern. Für 2006 und 2007 war das in Ordnung, so der BFH. Für 2008 bis 2010 könnte es aber zugunsten der Frau so sein, dass aufgrund von Änderungen im Doppelbesteuerungsabkommen mit den USA Deutschland das Besteuerungsrecht für diese „Scheinrenditen“ nicht zusteht. Ob das der Fall ist, muss jetzt nochmals das Finanzgericht prüfen.
Fazit: Gerade bei Betrügern im Ausland ist es wichtig, den Schriftverkehr (E-Mails) festzuhalten. Deutet dieser darauf hin, dass keine sofortige Auszahlung möglich war, könnte es auf Glück im Unglück hinauslaufen.
Urteil: BFH I R 33/16