Mieternation im Wandel
Deutschland wandelt sich von einer Mieter- hin zu einer Eigentümernation. Schon im nächsten Jahr könnte jeder zweite in den eigenen vier Wänden wohnen. Das ist eine Steigerung um 15% gegenüber dem Jahr 2008. Dennoch: Im internationalen Vergleich ist der Mieteranteil in Deutschland nach wie vor einmalig. Doch der Aufholprozess hat viel Dynamik. Und der Beweggrund ist der gleiche wie in den meisten Eigentümer-Ländern: Die Immobilie wird zu einem wichtigen Teil der Altersvorsorge. Die Geldpolitik ist ein zentraler Treiber für den Wandel auf dem Wohnimmobilienmarkt. Die Menschen misstrauen ihren Vorsorgeprodukten wie der Lebensversicherung, deren Renditen von Jahr zu Jahr weiter schrumpfen. Zudem steigen die Mieten. Und es mangelt an Anlagealternativen. Da drängt sich der Wohnungskauf förmlich auf. Das Kaufen wird immer attraktiver gegenüber dem Mieten. Vielerorts ist es günstiger, die Finanzierungslast einer Hypothek (Tilgung und Zins) zu tragen, als eine Miete zu zahlen (Eigenkapital nicht einbezogen). Das sind Ergebnisse einer Trendstudie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (FB vom 2.6.). Auch die Selbstnutzung hat gegenüber der Vermietung an Attraktivität gewonnen. Das liegt an der unterschiedlichen steuerlichen Behandlung der vermieteten (Investitionsgut) und selbstgenutzten (Konsum) Immobilie. Sinkt der Zins wie derzeit, hat ein Vermieter weniger Kosten, die er steuerlich absetzen kann. So ist es für ihn günstiger, selbst in seiner Immobilie zu wohnen, statt sie zu vermieten, behauptet die Studie. Diese Entwicklung habe das Potenzial, den Mieteranteil zu verkleinern. Nicht zuletzt machen die niedrigen Zinsen Wohneigentum deutschlandweit erschwinglicher denn je. Laut dem entsprechenden Index der Commerzbank ist das Verhältnis der Finanzlast zu verfügbarem Nettoeinkommen auf dem günstigsten Stand seit 1975 (siehe Grafik). Zum gleichen Ergebnis kommt eine aktuelle Postbankstudie.

Erschwinglichkeits-Index für Wohnimmobilien in Deutschland; Quelle: BulwienGesa, Destatis, Immobilienscout24, Deka-Bank, Bundesbank, Commerzbank
Mehr als ein Drittel der Mieter (37%) in Deutschland (ca. 6 Mio. Menschen) kann sich Eigentum leisten. In 85% aller deutschen Kreise und kreisfreien Städte ist der Kauf einer 70-m2-Wohnung bezahlbar. Das heißt: Die Finanzierungslast liegt in diesen Fällen bei nicht mehr als 40% eines Haushaltsnettoeinkommens. Bereits ab 1.200 Euro monatlichen Nettoeinkommens könnten sich Haushalte vor allem eine Wohnung und in Ostdeutschland sogar ein Häuschen leisten, so die Postbank. Sie geht von 480 Euro monatlicher Finanzierungskosten (Zins und Tilgung) im Jahr aus. Allerdings gilt das nicht für die Ballungsräume und viele Orte in Süd- und Norddeutschland. So ist eine 70-m2-Wohnung in jedem zehnten Landkreis Deutschlands für Haushalte mit weniger als 1.700 Euro netto nicht erschwinglich – weder als Miet- noch als Eigentumswohnung. Die Politik versucht mit Aktionismus gegen den Preistrend zu halten. Die SPD in Berlin will mit radikalen Mitteln gegen die Umwandlung von Miet- zu selbstgenutzten Wohnungen vorgehen. In der Hauptstadt plant die regierende Große Koalition ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Damit wird den Eigentümern praktisch ein Wohnungsverkauf untersagt. Argumentiert wird mit dem Milieuschutz. Die Verdrängung alteingesessener Mieter soll gestoppt werden. Rund 100.000 Wohnungen sind betroffen.Fazit: Die niedrigen Zinsen könnten letzten Endes zur Erosion des Mietermarktes führen. Je kleiner der Mietsmarkt, desto schwieriger finden Mieter und Vermieter zueinander. Für Investoren bedeutet das ein zusätzliches Risiko.