Unverkäufliche Eigentumswohnungen
Der britische Immobilienmarkt für Eigentumswohnungen leidet seit kurzem unter einem neuen Phänomen. Bei Kaufinteressenten herrscht die Furcht, die Metall- oder Kunststoff-Verkleidungen der Häuser könnten brennen.Eigentumswohnungen in derart verkleideten Häusern sind so gut wie unverkäuflich. Vor allem Eigentumswohnungen in Großstädten sind betroffen. Denn dort dominieren Außenverkleidungen aus Metall oder Kunststoff bei hohen Gebäuden. In London gibt es mehrere tausend solcher Bauten.
Die Furcht vor brennenden Fassaden ist eine Reaktion auf die Brandkatastrophe im Grenfell-Tower von 2017. Damals kamen 72 Menschen ums Leben. Das für Sozialwohnungen gebaute Hochhaus war mit Aluminium-Composit-Material (ACM) verkleidet. Dies hatte sich als leicht brennbar erwiesen. In mehr als 550 Londoner Hochhäusern gibt es diese Art der Fassaden-Verkleidung immer noch. Im Spätherbst 2019 war in Bolton ein mit Laminat-Material außenverkleidetes Studentenwohnheim in Brand geraten. Das hat die Ängste der Bewohner solcher Gebäude weiter geschürt. Inzwischen gibt es in Großbritannien deshalb eine ganze Anzahl von hohen Wohngebäuden, die rund um die Uhr über eine eigene Feuerwache verfügen.
Eigentümer finden keine Käufer
Die Eigentümer trifft nicht nur der Wertverlust ihrer Wohnungen. Sie finden auch keine Käufer. Entsprechende Fassadenverkleidungen stehen auch einer Hypothekenvergabe im Weg. Denn Geschäftsbanken, spezielle Hypothekenbanken und andere Darlehensgeber wie etwa Versicherungsunternehmen verlangen ausnahmslos eine Bescheinigung über die Brandsicherheit der Fassaden.
Die nahe liegende Lösung, die Fassaden von Fachleuten auf ihre Feuergefährlichkeit hin überprüfen und bewerten zu lassen, ist in der Praxis nicht so einfach. Zum einen gibt es nicht viele Unternehmen oder staatliche Stellen, die diese Aufgabe für Private übernehmen. Zum anderen haben sich die Kriterien für die Feuersicherheit in jüngerer Zeit immer wieder geändert. Damit kann die Sicherheits-Bescheinigung für eine Eigentumswohnung längst überholt sein, ehe sich auch nur ein einziger Käufer oder ernsthafter Interessent gemeldet hat. Die spanische Santander Bank etwa, die in Großbritannien zu den großen Kreditgebern für Privatleute zählt, erklärt, sie benötige die “Bestätigung, dass das Gebäude in Übereinstimmung mit den neuesten Richtlinien der Regierung getestet worden ist”. Das gilt für alle Gebäude mit mehr als sechs Etagen. Da die “neuesten Richtlinien” häufig und inhaltlich signifikant wechseln, ist dies ein Problem. Lloyds Banking Group verhält sich noch wesentlich härter: “Gegenwärtig werden keinerlei Hypotheken für Wohnhäuser mit Außenverkleidung angeboten”, heißt es auf Anfrage.
Teure Sicherheitsprüfungen
Nicht selten stehen die Wohnblocks auf Erbpachtgeländen. In diesen Fällen kann nur der Grundstückseigner die Überprüfung beantragen. In anderen Fällen, in denen keine Erbpacht gegeben ist, kann lediglich der Verwalter des jeweiligen Gebäudes die Überprüfung in die Wege leiten. Dazu aber bedarf es meist einer Zustimmung wenigstens der Mehrheit der Eigentümer der Wohnungen. Auch sind die Überprüfungen teuer. Die wenigen Anbieter sind voll ausgelastet. Das treibt die Preise in die Höhe. Zudem ist die Überprüfung der Feuersicherheit aufwändig. In verschiedenen Höhen des zu überprüfenden Gebäudes müssen dazu Teile der Fassadenverkleidung abmontiert und an ein Prüflaboratorium eingeschickt werden.
Liegt schließlich ein positives Feuersicherheits-Zeugnis vor, ist dessen praktischer Nutzen häufig nichts wert. Einzelne Banken lehnen dann zwar eine Hypothek nicht mehr prinzipiell ab. Aber sie setzen bei der Bewertung des Objekts dessen Wert wegen der Fassadenverkleidungen so niedrig an, dass die Beleihung oft nicht mehr sinnvoll ist. Gerade in London hat es schon viele Fälle gegeben, in denen der Wert solcher Wohnungen auf “null” geschätzt wurde. Wer schließlich doch einen potenziellen Käufer findet, der keine Hypothek benötigt, der stößt oftmals beim Notar auf hartnäckigen Widerstand. Denn dieser schätzt das Risiko für den Käufer gern als zu hoch ein.
Fazit: Für Eigentümer einer Eigentumswohnung in UK bleibt oft nur der Auszug und die anschließende Vermietung der alten Wohnung – zu einer wegen der Brandgefahr sehr niedrigen Miete.