Schwarze und graue Schwäne
Der „Schwarze Schwan“ steht als Symbol für ein Marktereignis, das plötzlich und unvorhersehbar eintritt. Dann drohen Anlegern hohe Verluste. Es lohnt, das eigene Vermögen einem Stresstest zu unterziehen.
Spätestens seit 2008 wissen Anleger, dass Schwäne hin und wieder etwas mit ihrer Geldanlage zu tun haben. Der „black swan“ oder auf deutsch „Schwarze Schwan“ steht als Symbol dafür, dass Ereignisse, obwohl sie höchst unwahrscheinlich sind, dennoch plötzlich und unvorhersehbar eintreten. Sie können die Finanzwelt in große Turbulenzen bringen und für den Anleger sehr große Verluste bedeuten. Die Lehmann-Pleite zählt dazu.
Aktuell sehen Aktionäre an den Börsen einen Höchststand nach dem anderen. Folglich werden auch die Stimmen der Mahner wieder lauter. Und es werden wieder neue „schwarze Schwäne“ genannt, die auftauchen könnten. Tatsächlich sind sie damit „grau“ – denn sie sind ja nicht mehr unbekannt. Es lohnt sich, einige dieser „Schwäne“ zu betrachten und nach klugen Antworten für Vermögende zu suchen.
Paul Tudor Jones sieht den Schwan bei den Risk-Parity-Strategien. Der Mann managt in den USA einen 10 Milliarden-Dollar-Hedgefonds. Allein 500 Mrd. US-Dollar sind in Fonds dieser Art investiert, die alle nach demselben Grundsatz anlegen: Es wird das Risiko von Aktien, Anleihen, Rohstoffen und anderen Vermögensklassen, die sog. „Volatilität“ berechnet. Danach wird das Vermögen so verteilt, dass jede Anlageklasse im Fonds das gleiche Risiko hat. Da aber die Aktien seit langer Zeit wenig schwanken, ist die Volatilität äußerst niedrig. Daher sind die Aktien auch deutlich übergewichtet. Sobald die Aktien-Volatilität ansteigt – und allen Experten ist klar, dass der Zeitpunkt kommen wird – wird ein Schneeball-Effekt eintreten, dessen Ausmaß keiner genau berechnen kann. Aktien im großen Stil müssen verkauft werden, folglich steigt die Volatilität noch mehr, daraus ergibt sich eine „Risk-Parity“-Lawine, die den Aktienmarkt in sehr große Verluste führen kann.
Anleger können sich schützen. Das Meiden solcher Risk-Parity-Fonds, die auch in Deutschland in verschiedenen Varianten angeboten werden, ist die erste Option. Zusätzlich können Anleger darüber nachdenken stärker in Fonds und Anlageformen zu investieren, die von einer ansteigenden Schwankungsbreite profitieren würden. Dazu zählen sog. „Volatilitäts-Fonds“ oder auch Zertifikate auf die bekannten Volatilitätsindizes. Die Verringerung der Aktienquoten auf dem aktuell hohen Niveau ist ebenfalls eine sinnvolle Maßnahme, um nicht auf dem falschen Fuß erwischt zu werden.
Eine anderer „grauer Schwan“ ist ein „Déjà-vu“ der letzten Finanzkrise: Kreditblasen. Diesmal sind es Studentenkredite in den USA, die sich mittlerweile auf einem Höchststand befinden. Knapp 30% der Absolventen können diese angeblich nicht mehr zurückzahlen. „Geld-Unruhen“ und ein Ansturm auf die Banken werden schon als möglich erachtet, weil die Schulden viele junge Leute in existenzielle Not bringen. Auch die Kredite für Gebrauchtwagen können, wenn die Preise fallen, eine Krise auslösen. Es klingt zwar übertrieben, aber es zeigt, dass wieder die Banken und deren „faule Kredite“ im Fokus stehen. Anleger sollten daher achtsam sein, wie viele Finanzwerte sie im Portfolio haben.
Auch aus Deutschland kommen mahnende Stimmen. Das renommierte „Financial Planning Standard Board“, das die deutschen Certified Financial Planner (CFP) überwacht, meldet vor wenigen Tagen: „Euro-Rentenfonds bergen extreme Risiken“. Die These: Tritt ein Euro-Land aus der Euro-Zone aus, sind hohe Währungsverluste zu erwarten. Dies trifft besonders konservative Anleger mit scheinbar sicheren Anleihenfonds. Denn bei einem Euro-Austritt werden die Anleihen des betreffenden Landes nicht mehr in Euro, sondern in der neuen Währung getilgt. Und diese Währung wird deutlich abgewertet sein. Am Beispiel Frankreich wird der Verlust auf 25% geschätzt – unwiederbringlich und endgültig. Auch deutliche Verluste bei den Altersvorsorgeprodukten vieler Deutscher wären zu erwarten. Den Impuls zur Lösung liefert der CFP-Verband gleich mit: Finanzplaner hinzuziehen und das Portfolio breit streuen.
Richtig ist, dass vielen Anlegern die Auswirkungen eines Euro-Austritts nicht bewusst sind. Eine kluge Maßnahme ist das Vermeiden von Euro-Staatsanleihen, insbesondere der „Austrittskandidaten“. Kritisch müssen auch die „Mischfonds“ und Vermögensverwaltenden Fonds betrachtet werden, denn sie investieren häufig in Euro-Staatsanleihen. Eine weitere Antwort ist es, in die Gesamtstrategie einen gesonderten „Euro-Crash-Baustein“ zu integrieren. Darin könnten z. B. Anleihen von Staaten guter Bonität mit „Hartwährungen“ wie dem Kanada-Dollar oder der Norwegen-Krone enthalten sein. Auch Gold ist sicher eine gute Option. Dies ist kein neuer, aber weiterhin sinnvoller Gedanke.
Fazit: Es lohnt, für das eigene Vermögen einen Stresstest auf graue Schwäne durchzuführen. Gegebenenfalls helfen unabhängige Vermögensstrategen.