Vor der Corona-Rally
Die Aktienmärkte sind weiter angeschlagen und verarbeiten die aktuellen Daten. Dabei übertreiben sie jetzt so nach unten, wie in den vergangenen Wochen nach oben. Schon bald werden die Märkte aber neuen Entwicklungen in der Welt einpreisen.
Die US-Notenbank Fed hat den Aktienmärkten eine Grippeschutz-Impfung verabreicht. Die US-Geldhüter senkten am Dienstag völlig außerplanmäßig die Leitzinsen auf ein Zielband von 1,00% bis 1,25%. Fed-Chef Jerome Powell erklärte, dass dies eine Vorsichtsmaßnahme "im Hinblick auf die neuen Risiken" sei und der US-Wirtschaft helfe, stark zu bleiben. Auch andere Notenbanken rund um die Welt - von Australien über Großbritannien bis Kanada - haben ihre Leitzinsen gesenkt oder angekündigt, dass sie dies noch tun können.
Die US-Notenbank hat damit ihre Strategie verändert. Sie ist von ihrer "Politik mit Ansage" (forward guidance) zu einer "Politik des Vorauseilenden Gehorsams" übergegangen. Denn die Fed hat präventiv eingegriffen und die Zinsen allein mit Blick auf das Eintreten konjunktureller Risiken gesenkt - ohne, dass es bisher schon scharfe negative Konjunkturauswirkungen der Corona-Krise in China gegeben hat. Ob das klug war, werden wir in drei oder sechs Monaten wissen. Die Marktreaktion war jedoch zunächst nicht von überschäumender Freude geprägt. Die Aktienkurse kamen eher unter Druck.
Währungshüter reagieren global präventiv
Die Währungshüter reagieren offenbar auf die jüngsten Zahlen aus China. Dort ist der wichtige Caixin-Einkaufsmanager-Index für das verarbeitende Gewerbe wie ein Stein auf ein historisches Tief gefallen. Der Index notiert aktuell bei 35,7 Punkten. Vor einem Monat lag er noch bei 50 Punkten. Selbst in der großen Rezession nach der Weltfinanzkrise 2007/08 lag der Einkaufsmanager-Index höher.
Wir fragen uns allerdings inzwischen, ob die Menschen und Märkte in der aktuellen Situation nicht doch etwas überreagieren. Ohne das Corona-Virus verharmlosen zu wollen: Aber in China sind daran laut WHO-Zahlen real noch knapp 40.000 Menschen erkrankt. Insgesamt gab es 82.000 Infizierte, von denen aber bereits gut 35.000 wieder geheilt sind. Weltweit sind bisher 3.288 Menschen an dem Virus gestorben (lt. WHO). In den allermeisten Fällen (97% ist die Krankheit nach 14 Tagen folgenlos überstanden.
Die aktuell gemeldeten Daten dürften daher ein Abbild des Stillstands der chinesischen Wirtschaft um das Neujahrsfest des Landes herum gewesen sein. Das Land kehrt aber bereits allmählich zum normalen (Wirtschafts-)Leben zurück. Wir erwarten daher eher, dass die nächsten Indikatoren eine verhaltene Verbesserung anzeigen werden. Damit würde die Unsicherheit über die Entwicklung der chinesischen Konjunktur aus dem Markt schwinden.
Negative Folgen nur kurzfristig
Es ist zwar wahrscheinlich, dass auch in Europa, den USA und auch im Rest der Welt die Zahl der Corona-Infizierten noch weiter ansteigen wird. Allerdings halten wir es auch für wahrscheinlich, dass das Ausmaß allein aufgrund des Informationsvorsprungs dieser Länder und dem frühen beherzten Eingreifen (Stichwort Isolation) geringer als in China sein wird. Daher wagen wir die Spekulation, dass Corona in diesen Ländern nicht zu einem so großen Problem wird, wie es in China war.
Dennoch hat der Virus kurzfristig wirtschaftliche Folgen und verursacht hohe Kosten. Zahlreiche Veranstaltungen werden abgesagt, Aufträge und Projekte werden verschoben. Die globalen Lieferketten stehen teilweise unter erheblichem Druck. Ein großer Teil dieser Auswirkungen dürfte aber nur von kurzer Dauer sein und viele Geschäfte dürften auch bald nachgeholt werden.
Hälfte der Wirtschaft ist Psychologie
Da die Hälfte der Wirtschaft Psychologie ist, erwarten wir, dass sich die aktuelle Panik relativ bald legt. Wir gehen davon aus, dass sich die Lage in China sukzessive bessert. Denn täglich infizieren sich nur noch gut 100 Chinesen neu, aber es werden etwa 3.000 wieder gesund. Auf dieser Grundlage sollte das Land und seine Wirtschaft bald wieder in Tritt kommen. Hinzu kommen die Stützungsmaßnahmen der Notenbank in Peking. Vermutlich wird auch die Regierung noch ein Konjunkturprogramm auflegen. Würde sich die Konjunktur global kräftig eintrüben, würden auch andere Regierungen sicher noch zu weiteren stützenden Maßnahmen greifen.
Fazit: Erst wurde Corona lange unterschätzt und ignoriert. Momentan erscheint es uns so, dass die langfristigen Folgen überschätzt und an der Börse auch übertrieben werden. Die Welt wird wegen Corona nicht in eine globale Konjunkturkrise fallen. Gegen ein solches Szenario würden sich auch die Notenbanken in konzertierten Aktionen stellen. Daher heißt es für Anleger, zu antizipieren. Strategen, die auch ein paar Kursschwankungen aushalten können, kaufen weiter ein.