Wie gesund ist das Pfund?
Das Pfund profitiert vom Scheinreichtum der Briten. Das Pfund läuft seit dem Brexit im Juni 2016 in vergleichsweise ruhigen Bahnen bei Kursen zwischen 0,83 und 0,92 EUR|GBP. Allen Unkenrufen zum Trotz. Zuletzt zeigt es sogar wieder Stärke und notiert bei 0,86 – so wie zum gleichen Zeitpunkt vor 12 Monaten. Allgemein wird das auf die flotten Impfungen im Vereinigten Königreich zurückgeführt, die der Insel einen Vorsprung zum Festland verschafft haben.
Und tatsächlich: Die Fundamentaldaten geben das nicht her. Die Zahlen zum britischen Außenhandel per Jahresende – also vor dem Auslaufen der Übergangsregelungen – enthalten einige Hinweise auf die Folgen des Brexit. Die Exporte sind schon im letzten Jahr stark eingebrochen (-22,3% gegenüber 2019) während die Importe kräftig zugelegt haben (rund 13%). Die sich hier andeutende Kluft hat nur zum Teil mit der Corona-Krise zu tun. Die UK-Exporte haben sich offenbar zumindest teilweise unabhängig von der Corona-Krise verringert, während sich die Importe erholen.
Die schwache Handelsbilanz wird zum Problem
Die Probleme werden sich im Laufe des Jahres verschärfen. Denn das Handelsabkommen mit der EU bietet nur jenen Produkten von UK aus freien Zugang zum kontinentalen Binnenmarkt, die den Herkunftsregeln entsprechend als „britisch“ eingestuft werden können. Das erfordert in der Regel wenigstens 50% britischen Anteil an der Wertschöpfung.
Der Eiertanz um die „rules of origin“ für die britische Autoindustrie zeigt, dass diese Vorgaben für die britische Industrie schwer zu erfüllen sind. Den Autobauern wird eine etwas niedrigere Wertschöpfungsquote eingeräumt, um den Export von Elektro-Autos in die EU nicht von vorn herein auszuschließen. In den anderen Branchen sieht es düster aus; nicht zuletzt auch auf Grund der schwachen Produktivität der verabeitenden Industrie.
Unklare Auslandsposition
Die Stärke der Briten liegt eher bei den (Finanz-)-Dienstleistungen und beim Handel. Die Zahlen für 2020 weisen aber bereits einen Rückgang der Dienstleistungsexporte um rund 18% gegenüber dem Vorjahr aus. Das erklären wir uns im Wesentlichen mit der Verlagerung von Finanzgeschäften von der Insel zu EU-Standorten zwischen Dublin und Frankfurt.
Und die britische Finanzbranche bleibt bei dem leidigen Thema „Äquivalenz der Regulierungen“ auf den guten Willen der EU angewiesen. Gerade diesen guten Willen haben die Briten aber durch ihren einseitigen Eingriff in die Nordirland-Regeln massiv strapaziert.
Zügelung der Nachfrage
Es spricht also viel dafür, dass das britische Handelsdefizit gezügelt wird. Dies kann durch eine Abschwächung des Pfundes geschehen, um die Importe zu soweit zu verteuern, dass die Nachfrage auf ein tragbares Niveau begrenzt wird.
Dies gilt umso mehr, als die britische Auslandsposition bei Licht besehen schwach ist. Die Parameter der Auslandsverschuldung sind aufgrund buchungstechnischer Faktoren zur positiven Seite verzerrt. Die von den britischen Banken verwalteten Vermögen des Auslands werden solange UK selbst zugerechnet bis sie ins Herkunftsland (oder einen dritten Auslandsstandort) abfließen.
Künstlich reich
Die Größenordnung dieser Verzerrung ist erheblich. Das Brutto-Auslandsvermögen für UK per Ende 2018 betrug den offiziellen Daten des ONS zufolge 518% vom BIP. Bei den anderen G7-Staaten zwischen 123% (USA) und 283% (Frankreich) lag.
Vor diesem Hintergrund ist die Tatsache, dass die Veränderung der Netto-Auslandsposition von 2000 bis 2019 nur etwa der Hälfte der kumulierten Defizite entspricht, alles andere als harmlos. Die Netto-Auslandsposition weicht zwar immer in gewissem Maße von den einfach aufsummierten Salden ab, weil sich die Werte von Aktien- und Anleihenbeständen durch veränderte Börsen- und Devisenkurse der Bezugswährungen verschieben. Aber die UK in der Statistik zugerechneten Gewinne entfallen zum größeren Teil auf Vermögen, die Ausländern zustehen. Insofern wird UK in der offiziellen Statistik künstlich reich gerechnet. Bei Abflüssen aus UK wird das aufgedeckt werden.
Fazit: Der Ausblick für das Pfund bleibt aufgrund des schwachen Außenhandelsfundamental negativ. Die aktuell starke Bewertung des Pfunds ist nicht gerechtfertigt.
Empfehlung: Pfundpositionen zu jetzigen Kursen auflösen.