Wie lange dauert die amerikanische Wahlnacht?
Es sind noch 40 Tage bis zum 3. November, der US-Wahlkampf kommt in seine Endphase. Und er ist so schmutzig wie erwartet. Die „Krönung“ ist die Andeutung des republikanischen Amtsinhabers Donald Trump, einen Wahlsieg seines demokratischen Widersachers Joe Biden nicht anerkennen zu wollen. Die einzige Möglichkeit, die Wahl zu verlieren, sei, dass sie manipuliert würde, sagte er.
Das Problem ist die Briefwahl in Verbindung mit Corona. Sie liefert Trump den Hebel, schon jetzt Zweifel am Wahlausgang zu schüren. Jeder dritte Wähler will per Briefwahl abstimmen. In den Vorwahlen benötigte der Staat New York sechs Wochen für die Stimmenauszählung. Eine halbe Million Stimmen wurden in den Vorwahlen der Demokraten für ungültig erklärt – oftmals wegen zu später Zustellung. Wegen der Pandemie fehlt es auch an Wahlhelfern.
Zweifel an freien und fairen Wahlen
Selbst das hässliche Wort der „Wählerunterdrückung“ macht in den USA die Runde. Übersetzt: Es gibt schon jetzt Zweifel daran, dass die US-Wahlen frei und fair verlaufen. Es gibt immer mehr Hürden bei der Wählerregistrierung, die Stimmabgabe per Post wird beschränkt, es gibt weniger Wahllokale. Wer wählen darf, ist nicht eindeutig geregelt. Vorbestrafte dürfen in der Regel nicht wählen. Florida (republikanisch) änderte das per Volksabstimmung 2018. Folge: Ein Plus von 1,4 Mio. Wahlberechtigten. Insgesamt sind in den USA rund 219 Mio. Menschen zur Wahl zugelassen (inkl. 6,7 Mio. Expatriates, Wahlberechtigte, die nicht in den USA wohnen).
Trump wird wissen, warum er „vorbaut“. Er hat es am 3. November mit einer deutlich veränderten Wählerschaft gegenüber 2016 zu tun. Denn erstmals waren 2019 war mehr als die Hälfte der Amerikaner Millennials oder jünger (geboren nach 2000). Die drei jüngeren Gruppen machten 2019 die Mehrheit (51%) der Bevölkerung aus. Die Generation der „Baby-Boomer“ (geb. in den 50er und 60er Jahren) verlor damit ihren Status als zahlenmäßig größte Generation. 2019 gab es laut Pew Research Center 72 Mio. Millennials im Alter von 23 bis 38 Jahren. Das waren 500.000 mehr als die Boomer-Generation (damals 55 bis 73).
Eine neue Wählergeneration übernimmt die Macht
Millennials und später Geborene („Gen Z“) werden 2020 fast 40% der Wähler ausmachen. In dieser Gruppe finden sich deutlich mehr akademisch ausgebildete Frauen als unter den Boomern. Sie wählen tendenziell eher demokratisch. Sie gehören häufiger als vorangehende junge Generationen zum Bevölkerungsteil der Afro-Amerikaner, Hispanics oder Asiaten. Bildung und Ethnie gehören zu den zuverlässigsten Indikatoren für die Parteipräferenz. Afroamerikaner stimmen mit zehn zu eins oder mehr für Demokraten. Hispanics und Asiaten um etwa zwei zu eins. 53% der Hochschulabsolventen identifizieren sich mit Demokraten, nur 40% mit Republikanern.
In acht Bundesstaaten, darunter Georgia und Florida, ist mehr als die Hälfte der unter 40-Jährigen nicht weiß. Hier haben Demokraten zum ersten Mal seit einer Generation eine Chance, zu gewinnen. Allerdings ist offen, OB sie überhaupt wählen. In der Vergangenheit waren sie gegenüber dem älteren Bevölkerungsteil deutlich unterrepräsentiert bei Wahlen.
Fazit: Es kann in den USA zu einem wochen-langen Interregnum kommen. In dieser Phase wäre die Entscheidungsfähigkeit der USA stark geschwächt. Das werden Mächte wie Russland und China genau beobachten und sich bereits jetzt Pläne zurecht legen, wie sie diese Phase nutzen. Eine Wahl, deren Rechtmäßigkeit in Zweifel steht, wird die zerstrittene Bevölkerung jedenfalls nicht einen. Die USA bleiben ein Hort des inneren Zwists.