Wirkung mit Zweifeln
Die Anlegerschutzrichtlinie MiFID II wirkt. Zumindest was die Anzahl der Auseinandersetzungen zwischen Banken und ihren Private Banking Kunden betrifft. Zu dieser Einschätzung kommen Fachanwälte, mit denen wir im Rahmen unseres laufenden Marktmonitorings gesprochen haben. Es ist Teil der Initiative der FUCHS | RICHTER PRÜFINSTANZ vertrauenswürdige Vermögensmanager (Trusted Wealth Manager) am Markt herauszufiltern.
Verstöße gegen Anlagerichtlinie sind laut Rechtsanwalt Matthias Schröder kaum noch zu sehen. Der Einsatz moderner EDV und die Digitalisierung hätten dazu geführt, dass prozentuale Grenzen leichter eingehalten werden können. Im Übrigen würden die alten Anlagegrenzen heute geschickter und weiter gefasst, so Schröder. Die Zahl der Beschwerden beim Ombudsmann der privaten Banken ist allerdings schon seit 2016 stetig gesunken.
Die Qualität der Beratung ist laut Fachanwalt Jens Graf nicht unbedingt besser geworden
Rechtsanwalt Jens Graf ist skeptischer. Er ist nicht davon überzeugt, dass Banken und sonstige Berater wegen der MiFID II-Regelungen ihre Kunden besser beraten. Für ihn liegt der Ursprung allen Übels in den Provisionszahlungen, die nach wie vor in Milliardenhöhe fließen. Immerhin müssen die Banken nun angeben, ob sie (provisions)abhängig oder unabhängig beraten. Danach sollten Kunden fragen.
Verwirrende Informationsflut
Die vielen Informationen, die Kunden erhielten, würden mehr verwirren als nützen. Zwar müssen Fondsgesellschaften und Depotbanken seit diesem Jahr u. a. angeben, welche Bestandsprovisionen sie im vergangenen Jahr eingestrichen haben. Aber laut Graf höre man allenthalben, dass mehr als die Hälfte der Kunden sich diese Informationen nicht genau anschauten. Solche Angaben würden gar nicht selten hinter anderen Informationen versteckt und so verklausuliert präsentiert, dass die Kunden nicht begreifen könnten, in welchen Größenordnungen sich ihr investiertes Vermögen allein durch die Prämien reduziert. Graf plädiert daher für ein vollständiges Provisionsverbot.
Anleger fühlen sich bevormundet
Anlegerschutzanwalt Klaus Nieding erkennt eine Überforderung der Anleger. Schuld sei der „höhere bürokratische Aufwand und die vielen Informationen". Zudem kritisierten nach seiner Erfahrung viele Anleger auch die strengen Regeln hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung von Anlageprodukten. Die Anleger fühlten sich in ihren Anlageentscheidungen eingeschränkt und nähmen dies als Bevormundung wahr. Hier wünschten sich viele Anleger Opt-out-Möglichkeiten. Der Vorwurf aber, dass zu viele Informationen über die jeweiligen Anlageprodukte bereitgestellt werden, gehe „in die falsche Richtung". Schließlich bleibe es jedem Einzelnen selbst überlassen, ob und wie er diese Informationen letztlich nutzt.
Fazit
Die Richtlinie hinterlässt in der Praxis ein gespaltenes Bild. Offenbar diszipliniert sie die Anbieter. Aber zum Preis, dass Individualität in der Beratung durch Bürokratie erschlagen wird.
Hinweis: Die vollständigen Interviews lesen Sie auf https://www.pruefinstanz.de/de/trusted-wealth-manager/beirat/