Demokratiegefährdende Geldpolitik
In den kommenden Monaten werden sich die Kreditkonditionen nicht verteuern. Teilweise werden die Zinsen für Darlehen sogar sinken. Für Unternehmen - und andere Kreditnehmer - ergeben sich daraus Opportunitäten. Allerdings dürfte das Zeitfenster dafür begrenzt sein.
Unternehmen können sich inzwischen sehr sicher sein, dass die Leitzinsen vorerst nicht weiter steigen. Denn Christine Lagarde, Chefin der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auf dem "Economic Dialogue" in Frankfurt vor wenigen Tagen eine Zinserhöhungspause angekündigt. Es ist somit klar, dass der Leitzins vorerst bei 4,5% verharren wird.
Dieses Statement der EZB-Chefin mag Wasser auf die Mühlen der Unternehmen sein, hat aber auch ein ganz besonderes Geschmäckle. Denn die Veranstaltung stand unter der Überschrift "Inflation kills democracy" (Inflation tötet Demokratie). Ausgerechnet unter diesem Motto verkündet Lagarde nun, dass die EZB bei ihrer Inflationsbekämpfung die Zügel nicht weiter anzieht, obwohl die Inflation (akt. 3,6% in Europa, 3,8% in Deutschland) noch deutlich über dem Ziel der EZB (2%) liegt. Zugleich betonte Lagarde selber, das die "Inflationsgefahren noch nicht gebannt" seien.
Demokratiegefährdende Geldpolitik
Im Zusammenspiel mit EZB-Vize Luis de Guindos bekommt das Lagarde-Statement sogar noch eine Extra-Würze. Denn Lagardes Stellvertreter erklärte, dass die "Inflation in den kommenden Monaten sogar wieder steigen" könnte. Das dürfte für die EZB noch sehr unbequem werden. Denn wenn die Inflation wieder anzieht, steht die Zentralbank unter erheblichem Druck, die Leitzinsen weiter anzuheben. Tut sie das nicht, leidet ihre Glaubwürdigkeit und die EZB wird sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, demokratiegefährdende Geldpolitik zu machen. Ein Ausweg wäre lediglich, stur zu behaupten, dass die "Geldpolitik angemessen" ist und die Inflation zügele.
Für Kreditnehmer bedeutet dies jedoch vorübergehend eine Verbesserung des Finanzierungsumfeldes. In den kommenden Monaten ist mit stabilen und sogar leicht fallenden Zinsen zu rechnen. Das zeigt sich bereits teilweise in den angebotenen Kreditkonditionen für Unternehmen. Auch bei dem Baufinanzierungskonditionen ist ein leichter Zinsrückgang sichtbar. Hier die die Zinsen für Darlehen mit einer 10-jährigen Zinsbindung wieder auf unter 4% gesunken.
Banken fürchten steigende Kreditausfälle
Im Trend schwierig bleibt für Unternehmen der Kreditzugang. Denn die Geldhäuser sind bei der Kreditvergabe weiter relativ "zugeknöpft". Die Kfw-ifo-Kredithürde bleibt mit über 30 Punkten sehr hoch. Jedes dritte Unternehmen klagt somit weiter über restriktive Banken. Solange die konjunkturellen Risiken in Europa anhalten, wird sich das auch nicht ändern.
Aber selbst wenn sich die Wirtschaft wieder belebt, werden die Banken nur langsam die Kreditvergabestandards lockern, weil auch die höheren Zinsen die Ausfallrisiken erhöhen. Die Banken schielen derzeit ohnehin schon mit Argusaugen auf die Zahl der notleidenden Kredite (non performing loans, npl). Deren Zahl steigt seit einigen Monaten langsam, aber sukzessive an. Bis Ende des Jahres wird ein Gesamtvolumen von 36,1 Mrd. Euro allein für die deutschen Banken erwartet. Ende 2024 soll das NPL-Volumen auf 41,6 Mrd. Euro steigen.
Fazit: Die Beruhigung bei den Zinsen dürfte bis ins Frühjahr andauern. Nutzen Sie die Zeit, um Finanzierungen in trockene Tücher zu bringen. Planen Sie dabei mittel- und langfristig und kalkulieren sie so großzügig wie Sie können. Wir gehen davon aus, dass die Zinsen im Laufe des kommenden Jahres nochmal ansteigen werden. Versuchen Sie auch, ihre Laufzeiten wieder aus dem kürzeren Zinsbindungsbereich in den mittel- und längerfristigen Bereich zu verschieben.