Brasiliens Rückkehr zu alten Verhältnissen
In den Schwellenländern wird bereits der Paradigmenwechsel bei den Leitzinsen vollogen. Der geldpolitische Ausschuss (Copom) der brasilianischen Zentralbank (BCB) beschloss am Mittwoch erneut, den Leitzins (Selic-Basiszinssatz) von 6,25% auf 7,75% anzuheben. Das ist der größte Schritt seit Dezember 2002.
Für den Rückblick auf die Entwicklung seit Anfang des Jahres sollte man schwindelfrei sein. Im Januar stand der Selic noch bei 2%. Die Inflation war aber schon angesprungen und lief schon zu Jahresbeginn mit 4,6% den Zinsen voraus. Der Handlungsbedarf für die Währungshüter war unverkennbar und die Copom-Mitglieder packten auch wacker an: Zu Beginn mit drei Schritten über 75 Basispunkte (Bp), gefolgt von zweien über 100 Bp und jetzt der Schritt über 150 Bp.
Befremdliche Argumente
Die Inflation steht allerdings schon bei 10,25%. Die großen Schritte waren letztlich zu wenig und kamen zu spät. Etwas befremdlich wirkt auch, dass die Währungshüter eine ungünstige internationale Lage als Argument anführen. Schließlich profitiert Brasilien sehr ordentlich von den guten Rohstoffpreisen. Wenn aber trotz passabler Bedingungen das Misstrauen der internationalen Anleger beginnt, die Währung, den Real, zu schwächen und damit die außenwirtschaftliche Komponente der Inflation in Schwung bringt, dann liegt das Problem woanders: Es hört auf den Namen Jair Bolsonaro.
Unter dem Druck der Krise zerbrösen die Errungenschaften
Der Präsident untergräbt mittlerweile die finanzpolitischen Erfolge, die er zu Beginn seiner Amtszeit erzielte. Das Copom-Statement deutet das sehr verklausuliert an. Man hat den Präsidenten anfangs allzu lautstark bejubelt als das jetzt kritische Distanz noch glaubwürdig wäre.
Der Haushalt steht unter Druck. Corona hat die Kosten für die Sozialhilfe hochgetrieben. Die mühsam durchgesetzten Regeln für eine nachhaltige Staatsfinanzierung lösen sich auf wie Nebelschwaden unter der Sonne. Das treibt die außenwirtschaftliche Seite der Inflation weiter an. Denn die ausländischen Anleger sind gerade in diesem Punkt sehr empfindlich.
Auch in der Politik rücken die alten Bekannten vor
Hinzu kommt der politische Hintergrund. Bolsonaros Aussichten in ziemlich exakt 12 Monaten eine zweite Amtszeit zu erreichen, schwinden mit wirtschaftlichem Chaos und Unzufriedenheit der Bürger. Wenn sich die Entwicklung nicht grundlegend dreht, ist kaum ein anderer Wahlsieger denkbar als Lula da Silva. Das verbessert aus Sicht der Investoren die Lage nicht gerade. Die Aktien haben seit Juni etwa 15% verloren, der Real zu Dollar und Euro etwa 10%. Bolsonaro hat in den Augen der Märkte schon verloren.
Fazit: Raus aus den brasilianischen Märkten, die für die nächsten Monate weiter nachgeben werden.