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Wie sich Europa zur Bedeutungslosigkeit verurteilt

Die dümmste Erzählung der Welt

FUCHSBRIEFE-Herausgeber Ralf Vielhaber. © Foto: Verlag
Europa erzählt der Welt die falsche Geschichte. Eine Geschichte, die unseren Kontinent weltweit Einfluss kosten wird. Es ist eine Geschichte von Einschränkung und Verzicht. Das Gegenteil dessen also, wodurch Europa weltweit zum „Hingucker“ und Magneten wurde: ein Politik- und Wirtschaftsmodell, das Frieden und Wohlstand versprach und das noch bis ins erste Jahrzehnt des neuen Jahrtausends Bestand hatte.

Der Mensch funktioniert simpel. Erst kommt das Fressen und dann die Moral (Brecht). Wenn der Bundeskanzler nach Bhutan reist, eines der ärmsten Länder der Welt, und dort dessen Wirtschaftsmodell lobt, schüttelt die Welt den Kopf. „Bei der Messung von Wohlstand spielt Bhutan eine Vorreiterrolle“, sagte vergangene Woche SPD-Kanzler Olaf Scholz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ministerpräsident Lotay Tshering. „Bhutans Idee, das Glücksgefühl seiner Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, ist faszinierend.“ So kann nur jemand reden, der aus Not eine Tugend machen will. Und auch das ist ein Signal an die Welt: Woran wir uns orientieren.

Bhutan hat 800.000 Einwohner, nicht mal ein Hunderstel der deutschen Bevölkerung. Die Bevölkerungsdichte liegt bei 19,8 Einwohnern je Quadratkilometer (Deutschland: 239,2). Die Analphabetenquote beträgt 33,4% (Deutschland, erschreckend genug = 12,1%). Das BIP pro Kopf bei 2022: 3.491 US-Dollar, der Haushaltssaldo bei -10,2% (DE -2,3%), es gibt für fast jeden Einwohner einen Mobiltelefonanschluss (DE = 1,3), bei den Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals Index) liegt das Land auf Rang 75 (Deutschland = 6) und bei der Kreditversicherung hat das Land mit 6 die beinahe höchste Risikokategorie (Hermes Länderkategorie). Nur in einem Punkt ist Bhutan besser als Deutschland: Die Fertilitätsrate (Geburten je Frau) liegt bei 1,9 (DE = 1,5).

So "reich" wie zu Anfang der 1980er

Wenn wir der Welt erzählen, wir würden unseren "Reichtum" auf das Niveau zu Anfang der 1980er Jahre zurückschrauben, und eine solche These wird zum Bestseller im Buchhandel, dann tippt sich die Welt mit dem Finger an die Stirn. Wenn wir Unsummen in grüne Energie investieren, aber die eigene Industrie mit nicht mehr wettbewerbsfähigen Energiekosten vertreiben, dann verlieren wir Wohlstand und Einfluss. So einfach ist das.

Wer freiwillig auf Wohlstand verzichtet, mag das Motiv „Rettung des Weltklimas“ auch noch so edel erscheinen, der verzichtet dauerhaft auf Einfluss. Es gibt schon genügend Weltreligionen, die Menschheit – vom säkularisierten Westen vielleicht abgesehen – dürstet nicht nach einer weiteren. Dies ist für die deutsche Diplomatie auf internationalem Parkett auf allen Kontinenten bereits deutlich zu erfahren. Wenn sich wichtige Länder in Afrika oder Lateinamerika (Brasilien) der klaren Verurteilung des Russlandfeldzuges gegen die Ukraine entziehen, dann ist das ein deutlicher Ausdruck verlorener Vorbildfunktion insbesondere auf wirtschaftlichem Gebiet. Wer seine Werte in die Welt verkaufen will, wie Europa und die USA das möchten, der muss etwas anbieten, damit sie angenommen werden. Das ist aber die Verheißung von Wohlstand und ganz gewiss nicht materieller Verzicht.

Europa verliert an Wohlstand und Einfluss

Europa aber hat in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Wohlstandsanteile eingebüßt. Gegenüber den USA fallen alle europäischen Volkswirtschaften zurück, während China und Indien rasant aufholen (siehe Grafik).

Was wir brauchen, ist eine andere Erzählung. Und die sollte auf einer erreichbaren Vision beruhen. In wenigen Worten: unbeschränkter Energieverbrauch zum Nulltarif als Grundlage einer hochtechnisierten, modernen, effizienten Wirtschaft und selbstverständlich mehr materiellem Wohlstand. Denn die Menschen werden in Zukunft immer mehr Energie verbrauchen. Nicht weniger. Die Erneuerbaren Energien haben – anders als die fossilen – vor allem einen Reiz: Sie sind unbegrenzt verfügbar. Und ihr Verbrauch schädigt nicht die Umwelt, zumindest nicht unmittelbar.

Wir brauchen eine andere, visionäre und positive Erzählung

Keine Frage, das wird schwierig. Denn auch die Energie, die in der Luft liegt, muss gefördert werden. An die Stelle von Öltanks müssen andere Speicher treten. Und deren Herstellung muss ebenfalls umweltverträglich sein. Von all dem sind wir noch Welten entfernt. Doch wer die Menschen mitnehmen will auf eine lange abenteuerliche Reise, sollte Sehnsucht wecken und nicht Weltbüßertum. Nur wenige wollen leben wie moderne Franziskaner.

Eine solche Erzählung wird die Faszination ausüben, die Europa eine Wohlstandsperspektive verschafft. Die motiviert und den Blick wieder nach vorne und nach oben richtet und nicht zurück und nach unten, wie es sich immer mehr breit macht in unseren europäischen Gesellschaften. Nur damit bekommen wir auch wieder den Einfluss, den wir uns wünschen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.

 
Ganz egal, wie wir unsere Wertepolitik etikettieren, ob feministisch oder sonstwie. Wenn wir das nicht verstehen oder schlimmer noch: uns nicht zutrauen, werden wir auf allen Gebieten rasant an Einfluss verlieren. Dann werden wir nicht die Welt zum Besseren verändern, sondern die Welt wird uns verändern, weil andere den Takt vorgeben, meint Ihr Ralf Vielhaber.
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