Die totale Kapitulation in Afghanistan zeigt mir auf erschreckende Weise, wie wenig Verantwortung die Entscheider übernehmen. Es ist atemberaubend, wie weit weg von der Realität die Einschätzungen in den entsprechenden Ministerien waren. Oder - und das trifft die Wahrheit dem Vernehmen nach besser - wie dreist jetzt im Außenministerium von Heiko Maas (SPD) und im Verteidigungsministerium von Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) vernebelt wird. Klare Informationen zur realen Lage gab es schon lange vor der überhasteten Flucht.
Die mit viel medialem Tamtam begleiteten "Rettungsaktionen" sind Ablenkungsmanöver. Die Ticker-Meldungen im Minutentakt und der irrwitzige Aktionismus soll vom Scheitern der zuständigen Behörden ablenken. Es stehen zwar vereinzelt Rücktrittsforderungen im Raum. Von den Verantwortlichen - insbesondere von Außenminister Heiko Maas (SPD) und Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) - werden diese abgelehnt.
Verantwortung wird abgelehnt
Fachliche Verantwortung will und braucht schon lange kein Minister oder Leiter einer Bundesbehörde mehr übernehmen. Vielmehr wird sie delegiert, auf andere Mitbeteiligte verschoben. Das zeigt sich an etlichen Beispielen. Stuttgart21, Berliner Flughafen BER, Maut-Debakel, Cum-EX-Geschäfte, Wirecard-Skandal, Flutkatastrophe und etliche Corona-Entscheidungen bis hin zu Masken-Deals - nie hatte gravierendes Fehlverhalten, mangelnde Führung oder fehlende Behördenkompetenz negative Konsequenzen. Wurde der Druck doch zu groß, wie z. B. in der Berater-Affäre der damaligen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dann wurde befördert - in dem Fall an die Spitze der EU-Kommission.
Macht und Verantwortung gehören aber zusammen
Macht, Entscheidungshoheit und Verantwortung gehören aber zusammen. Darum kann ich diese ignorante Sturheit der verantwortlichen Minister auch im Fall Afghanistan nicht akzeptieren. Es geht bei den Ministerposten aber ganz offensichtlich nicht um fachliche oder organisatorische Fähigkeiten und Kompetenzen.
Es ging Merkel offenbar immer nur um Machtsicherung. Denn zu Beginn ihrer Amtszeit agierte sie noch ganz anders. Damals musste Verteidigungsminister Franz Joseph Jung (CDU) nach nur vier Wochen seinen Hut nehmen, wegen vertuschter Informationen über zivile Opfer bei einem Luftangriff in Afghanistan. Der Vorfall war noch in der Vor-Merkel-Regierung passiert. Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde zum Rücktritt bewegt, genau wie Bildungsministerin Anette Schavan (beide Plagiatsvorwürfe). Darüber "zuckt" heute niemand mehr. Norbert Röttgen (CDU) wurde als Umweltminister nach einem Wahldebakel in NRW auf Initiative von Merkel entlassen - und durch Peter Altmaier ersetzt.