Gabriels saubere Zwischenbilanz
Die SPD schleicht sich an die Macht: Ihre Basis in den Ländern bildet das Sprungbrett.
SPD-Chef Sigmar Gabriel ist der Gewinner des zuende gehenden Politjahres. Zwar liegt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in Umfragen mit 62% deutlich vor dem Vizekanzler (11%). Der konzentriert sich aber derzeit bereitwillig auf seine Position als Parteichef. Gabriel sitzt in der SPD so sicher im Sattel wie noch nie. Interne Konkurrenz hat er nicht mehr. Zuletzt konnte ihm nur noch Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von NRW, gefährlich werden. Das ist inzwischen passé. Gabriel ist mit fünf Jahren der am längsten amtierende Vorsitzende seit Willy Brandt. Er hat die Sozialdemokratie nach dem Vorsitzenden-Karussell (Platzeck, Beck, Steinmeier, Müntefering) konsolidiert. Inhaltlich hat Gabriel neue Positionen bezogen. Weg von der Vermögenssteuer, hin zur Steuerentlastung. In der Kohle-Frage steht er fest an der Seite der Gewerkschaften – Umweltpolitik hin oder her. Niemand meckert über die Koalition. Gabriels mutiger Schachzug der Mitgliederbefragung hat dieses Thema beendet. Die Sozialdemokraten haben ihr Programm bisher besser umgesetzt als die Union. Das erkennt die Partei an. Zwar schlägt sich die Umsetzung von wichtigen Wahlzielen wie Mindestlohn und Rente mit 63 nicht in den Umfragen nieder. Dort dümpelt die SPD leicht unter ihrem Ergebnis der Bundestagswahl von 25,7%. Allerdings hält sie weiterhin die Linke klein. Der CDU dagegen schadet ihre insgesamt eher sozialdemokratische Regierungspolitik klar. In der AfD erwächst der Union eine konservative Konkurrenz, die ihre Koalitionsfähigkeit beschneidet. Die SPD agiert wie eine große FDP – als Mehrheitsbeschaffer. Wenn’s zum ersten Platz nicht reicht, nimmt man mit Rang 2 vorlieb: Hauptsache mitregieren. Zuletzt in Dresden unter der CDU und in Erfurt sogar erstmals unter der Linken. Damit wurde die SPD-Position im Bundesrat verbessert. In den Bundesländern bröckelt so die Macht der CDU. In Brandenburg verhinderte der Zuwachs der Union nicht die erneute Regierung von SPD und Linken. In Thüringen verlor die CDU erstmals seit 1990 die Führung der Regierung. Nur noch in Hessen (mit den Grünen), Sachsen (mit der SPD) und in Bayern (CSU) führt die Union eine Landesregierung. In Berlin und Mecklenburg-Vorpommern ist sie noch Juniorpartner der SPD. In elf von 16 Bundesländern ist sie außen vor. Der Siegeszug der SPD in den Ländern geht weiter. Weder in Hamburg (Februar) noch in Bremen (Mai) steht 2015 ein Regierungswechsel zu Gunsten der Union an. Die Sozialdemokraten beweisen in den Ländern, dass sie mit jedem koalieren können. Die CDU kann im Bund dagegen nur hoffen, dass die Grünen auf sie zugehen. Ihr einziger Trumpf ist Merkels Popularität. Die Personaldecke ist dünn. Weder der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier noch der sächsische Landeschef Stanislaw Tillich oder CSU-Chef Horst Seehofer haben die Ausstrahlung der Kanzlerin.
Fazit: Gabriel hat die SPD gefestigt. Die Partei erträgt die ungeliebte Große Koalition geduldig. Die schwachen Umfragewerte schaden ihm bislang nicht.