Regelloses Regieren in den USA
Ein Jahr vor der US-Präsidentschaftswahl sehen Meinungsumfragen und Wettmärkte eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit für einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus als für eine zweite Amtszeit von Präsident Joe Biden.
Was beide Kandidaten eint
Beide Kandidaten sind für Europa keine Wunschpartner. Beide sind bestenfalls bedingt an der Seite der Europäer. Gerade Biden setzt die EU mit seiner Subventionsorgie und dem knallharten Abwerben von Firmen mithilfe des Inflation Reduction Act wirtschaftspolitisch stark unter Druck. Für beide Kandidaten wäre es die zweite und somit letzte Amtszeit. Das befreit von Zwängen und mindert die Kompromissbereitschaft – die bei Trump ohnehin kaum vorhanden ist.
Worauf sich Europa ebenfalls einstellen muss: Amerika ist auch verteidigungspolitisch kein verlässlicher Partner mehr. Mit Biden im Weißen Haus ist dies nicht ganz so offensichtlich, aber deutlich genug. Der überstürzte, unabgesprochene und unprofessionelle Abzug der USA aus Afghanistan – in seiner symbolhaften Wirkung nicht zu überschätzen – zeigt deutlich, dass Washington sich an keine Absprachen wirklich gebunden fühlt.
USA sind Koch, Europa ist der Kellner
Die USA sind geopolitisch der Koch, die verbündeten Kellner. Mit Blick auf die Ukraine droht dieselbe Entwicklung: Mit Hurra ins Getümmel, große Versprechungen getroffen und Schwüre geleistet; jetzt lässt man Kiew womöglich wie eine heiße Kartoffel fallen. Das Verhalten der USA färbt dabei stets auf die Verbündeten ab. Die Welt sieht sich das Spiel an und erfährt: Wer sich auf „den Westen“ verlässt, ist verlassen.
Was Trump von Biden unterscheidet
Trump wird – anders als 2017 bei seinem ersten, offenbar auch für ihn damals überraschenden Wahlsieg – schnell und effektiv handeln. Er wird von Rachegelüsten getrieben sein. Er wird die Rolle von „Verfolgtem“ und „Verfolgern“ umkehren, sollte er die Wiederwahl schaffen.
Das ohnehin extrem angespannte innenpolitische Klima in den USA wird sich weiter verschärfen. Und es wird auf Europa abfärben. Die gesellschaftlichen Strömungen und Konflikte, die die USA austragen, kommen regelmäßig mit ein paar Jahren Verspätung stets nach Europa und hier insbesondere nach Deutschland – meist etwas abgeschwächt zwar, aber auch das hat nachgelassen.
Die Wirtschaft profitiert (zumindest anfänglich)
- Hört man sich dagegen auf den Märkten um, hat Trump hinter vorgehaltener Hand viele Fürsprecher. Nur wenige wie der Investor Peter Thiel geben dies offen zu. Dennoch traut ihm die Wirtschaft mehr zu als dem ganz offensichtlich nicht mehr im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte befindlichen und von der Parteilinken getriebenen Joe Biden.
- Steuererhöhungen scheinen unter Trump ausgeschlossen. Somit setzt sich die US-Schuldenorgie fort.
- Die Deregulierung wird Trump ebenfalls wieder aufnehmen. Zudem werden sich Investitionen von grünen zu braunen (fossilen) Brennstoffen verlagern. An der Börse wird das frühzeitig Spuren hinterlassen, sobald sich ein Sieg Trumps deutlicher abzeichnet.
- Das bedeutet einen stärkeren Dollar, denn die USA werden zumindest zunächst zu einem Kapitalmagneten. Zumal die wachsenden Unsicherheiten im schwachen Europa internationales Kapital in sichere Häfen treiben. Die USA sind Verursacher und Profiteur dieser Entwicklung.
Noch mehr Unsicherheit in der Weltpolitik
- Gegen China wird es noch konfrontativer zugehen als derzeit schon. Das bedeutet für Taiwan (und die internationale Chipindustrie) ein hohes Risiko
- Trump dürfte den Rückzug Amerikas aus internationalen Institutionen fortsetzen und America first vorantreiben. Das ist für die Ukraine mit erheblichen finanziellen und militärischen Risiken verbunden.
- Für Europa wäre das ein finanzieller Desaster. Denn man stünde vor der Entscheidung die Kosten für die Fortsetzung des Krieges allein zu tragen. Liefern würde die US-Rüstungsindustrie gewiss weiterhin.
- Rechte Parteien werden sich erneut im Auftrieb wähnen. Für das etablierte politische Europa könnte somit ein Albtraum wahr werden.